1 Leitsatz
Eine Klage gegen die anderen Wohnungseigentümer wahrt nicht die Klagefrist für eine Anfechtungsklage.
2 Normenkette
§ 45 Satz 1 WEG
3 Das Problem
Die Wohnungseigentümer fassen am 17.12.2020 mehrere Beschlüsse. Gegen diese geht Wohnungseigentümer K vor. Seine Klage geht am Montag, dem 18.1.2021 bei Gericht ein. Sie ist gegen die übrigen Wohnungseigentümer gerichtet. Als Zustellanschrift nennt K den Verwalter. K kündigt an, eine Eigentümerliste nachzureichen.
Nach Einzahlung der Gebühr im Allgemeinen weist das Gericht auf § 44 WEG und sich daraus ergebende Bedenken gegen die Einhaltung der Klagefrist hin. Daraufhin stellt K die Klage auf die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer um. Dieser wird die Klage am 24.2.2021 zugestellt. Fraglich ist, ob die Klagefrist des § 45 Satz 1 WEG gewahrt ist.
4 Die Entscheidung
Das AG verneint die Frage! Der Parteiwechsel nach Ablauf der Klagefrist sei ungenügend, um die Klagefrist zu wahren. Soweit der BGH (Urteil v. 6.11.2009, V ZR 73/09) für das alte Recht entschieden hatte, dass ein Parteiwechsel von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf die Wohnungseigentümer auch nach Ablauf der Klagefrist möglich und fristwahrend sei, könne dies nicht auf die spiegelbildliche Situation nach dem neuen Recht übertragen werden. Der BGH habe darauf abgestellt, dass der Verwalter eine gesetzliche Zustellungsvollmacht sowohl für die Gemeinschaft als auch für die einzelnen Eigentümer gehabt habe. Diese Erwägung trage nicht mehr.
5 Hinweis
Problemüberblick
Seit dem 1.12.2020 (WEG-Reform) sind die Beschlussklagen, also die Anfechtungsklage, Nichtigkeitsklage und Beschlussersetzungsklage, nach § 44 Abs. 2 Satz 1 WEG gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten. Bis dahin waren die Beschlussklagen gegen die Wohnungseigentümer zu richten.
Für eine Übergangszeit war zu erwarten, dass Wohnungseigentümer diese Rechtslage noch nicht kennen und versehentlich noch die Wohnungseigentümer verklagen (Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, 1. Auflage, Kap. 14 Rn. 108). Da die Anfechtungsfrist für eine Anfechtungsklage nach § 45 Satz 1 WEG nur 1 Monat beträgt, kann ein Wechsel der Klage auf die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer dort kaum fristgemäß gelingen. Für die Nichtigkeitsklage und Beschlussersetzungsklage stellt sich dieses Problem nicht, da es dort keine Klagefrist gibt.
Einhaltung der Klagefrist
Die Anfechtungsklage muss nach § 45 Satz 1 WEG innerhalb 1 Monats nach der Beschlussfassung erhoben werden. Die Klagefrist wird nicht durch eine gegen einen Dritten gerichtete Klage gewahrt.
Nach Ansicht des BGH zum alten Recht galt etwas Anderes, wenn versehentlich statt der Wohnungseigentümer die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verklagt wurde. Da diese Ausnahme mit § 44 WEG a. F. begründet wurde, ist sie obsolet und nicht auf den Fall übertragbar, dass die Wohnungseigentümer verklagt werden (Müller in Hügel, Wohnungseigentum, 5. Auflage, § 17 Rn. 105; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, 1. Auflage, Kap. 14 Rn. 110; Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, 1. Auflage, Rn. 1898; BeckOK WEG/Elzer, 46. Ed. 1.10.2021, WEG § 45 Rn. 24). Dem AG ist also recht zu geben!
Gegebenenfalls ist im seltenen Einzelfall § 45 Satz 2 WEG anwendbar und kann dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden (s. auch Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, 1. Auflage, Kap. 14 Rn. 112).
Beschlussnichtigkeit
Ist ein Beschluss nichtig, kommt es auf die Einhaltung der Klagefrist nicht an. Wohnungseigentümer K hatte sich daher auch auf eine Nichtigkeit berufen. Diese sah er in einer Unbestimmtheit von 3 Beschlüssen, mit denen die Wohnungseigentümer nach § 28 Abs. 5 WEG a. F. die Abrechnungen genehmigt hatten. Dies sah das AG nicht so. Die Wohnungseigentümer hätten Abrechnungen genehmigt, die ihnen vorlagen. Den Wohnungseigentümern hätten im Vorfeld auch keine unterschiedlichen Versionen vorgelegen. K selbst habe offenbar auch keine Schwierigkeiten gehabt, zu erkennen, was genau beschlossen worden war.
6 Entscheidung
AG Berlin-Charlottenburg, Urteil v. 16.4.2021, 73 C 8/21