Leitsatz
Das OLG Brandenburg hat sich in dieser Entscheidung damit auseinandergesetzt, welche Voraussetzungen für die Abänderung einer Sorgerechtsentscheidung gegeben sein müssen und welche Bedeutung der deutlich geäußerte Wille eines 13-jährigen Kindes bei der gerichtlichen Entscheidung hat.
Sachverhalt
Die Eltern stritten über das Sorgerecht für ihre gemeinsame Tochter J., die aus ihrer nichtehelichen Lebensgemeinschaft hervorgegangen war. Die Eltern hatten am 21.7.1995 eine gemeinsame Sorgeerklärung gemäß § 1626a BGB abgegeben und die elterliche Sorge gemeinsam ausgeübt. Sie lebten seit 1998 voneinander getrennt. Durch Beschluss vom 8.6.2004 war die elterliche Sorge für die Tochter auf die Mutter allein übertragen worden. Die Eltern hatten eine weitere im Jahre 1997 geborene Tochter. Beide Töchter lebten zunächst im Haushalt der Mutter.
Mit Einverständnis der Mutter lebte die Tochter J. seit Ende des Jahres 2006 bei dem Kindesvater, der zusammen mit seiner Mutter ein Hausgrundstück bewohnte. Die Kindesmutter hatte ihn mit Schreiben vom 8.12.2006 bevollmächtigt, Teile der elterlichen Sorge auszuüben. Sie hatte sich jedoch vorbehalten, die Übertragung jederzeit, insbesondere bei der Geltendmachung von Unterhaltsforderungen von J. zu widerrufen.
Nachdem der Vater außergerichtlich Unterhaltsforderungen für J. ggü. der Mutter erhoben hatte, kündigte sie an, die teilweise Übertragung der elterlichen Sorge zu widerrufen, sofern von den Unterhaltsforderungen nicht Abstand genommen werde.
Der Vater hat daraufhin beantragt, ihm die elterliche Sorge für die Tochter J. zu übertragen und insbesondere darauf hingewiesen, dass die Tochter den Kontakt zu ihrer Mutter ablehne und auf jeden Fall bei ihm wohnen bleiben wolle.
Das AG hat die Beteiligten angehört. Anlässlich ihrer Anhörung hat die Tochter J. sich dahingehend geäußert, auf keinen Fall zu ihrer Mutter zurückkehren zu wollen. Falls sie dorthin zurück müsse, werde sie "abhauen" oder es bevorzugen, ins Heim zu gehen. Eine Beziehung zu ihrer Mutter wurde von ihr strikt abgelehnt.
Das AG hat sodann mit Beschluss vom 30.7.2009 den Beschluss aus dem Jahre 2004 dahingehend abgeändert, dass die elterliche Sorge für J. der Kindesmutter entzogen und auf den Kindesvater übertragen wurde.
Gegen diese Entscheidung wandte sich die Mutter mit der Beschwerde.
Ihr Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.
Entscheidung
Nach § 1671 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB könne einem Elternteil die elterliche Sorge allein übertragen werden, wenn die Kindeseltern nicht nur vorübergehend getrennt voneinander lebten und zu erwarten sei, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und Übertragung auf einen Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspreche. Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge sei ein Mindestmaß an Verständigungsmöglichkeiten zwischen den Kindeseltern (BGH, FamRZ 1982, 1179; 2008, 592).
Angesichts der bereits seit Jahren herrschenden Streitigkeiten der Kindeseltern sei durch Beschluss des AG Dresden aus dem Jahre 2004 das bis dahin bestehende gemeinschaftliche Sorgerecht bereits aufgehoben und der Kindesmutter übertragen worden.
Für das vorliegende Verfahren auf Abänderung dieses Beschlusses nach § 1696 Abs. 1 BGB komme es darauf an, ob aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen eine Abänderung angezeigt sei. Als Abänderungsmöglichkeiten kämen sowohl die ersatzlose Aufhebung - und damit die Wiederherstellung der gemeinsamen elterlichen Sorge - als auch die Übertragung des Sorgerechts insgesamt oder von dessen Bestandteilen auf den anderen Elternteil in Betracht.
Anhaltspunkte dafür, dass hier die Wiederherstellung der gemeinschaftlichen elterlichen Sorge aus Gründen des Kindeswohls angezeigt sei, sah das OLG nicht. Die Kindesmutter sei nicht gewillt, mit dem Kindesvater zum Wohle ihrer Tochter J. auch nur zu sprechen, geschweige denn gemeinsame Absprachen zu treffen. Die Wiederherstellung des gemeinsamen Sorgerechts verbiete sich daher.
Das AG habe zu Recht festgestellt, dass eine Abänderung der im Jahre 2004 vom AG Dresden getroffenen Entscheidung, mit der der Mutter das Sorgerecht übertragen worden war, aufgrund veränderter Tatsachen geboten sei. Die Ablehnung des Kindes ggü. ihrer Mutter habe sich noch erheblich verfestigt. Sowohl ihr der Antragsschrift beigefügtes Schreiben, als auch ihre Äußerungen ggü. der Verfahrenspflegerin und dem Jugendamt sowie anlässlich ihrer Anhörung beim AG hätten ergeben, dass die Tochter derzeit nicht bereit sei, eine Beziehung zu ihrer Mutter aufzunehmen. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass diese Äußerungen nicht ihrer inneren Überzeugung entsprächen. Die bei ihrer Anhörung vor dem AG bereits 13 1/2-jährige Tochter habe ihren Standpunkt deutlich gemacht und nachvollziehbar erläutert, wie es zu der ablehnenden Haltung ggü. der Kindesmutter gekommen sei. Es liege eine komplette Ablehnung der Kindesmutter vor. Wer diese Ablehnung verursacht habe oder inwieweit sich bei der Tochter möglicherweise verzerrte Wah...