Leitsatz
Der Vermieter kann das Mietverhältnis nach dem Tod des Mieters aufgrund des Sonderkündigungsrechts aus § 569 BGB gegenüber dem Erben des Mieters nur dann kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses im Sinne von § 564b BGB hat. Dies gilt auch dann, wenn der Erbe mit dem verstorbenen Mieter in der Wohnung keinen gemeinsamen Hausstand geführt hat und nicht in das Mietverhältnis eingetreten ist.
Sachverhalt
Nachdem der Mieter verstorben war, wollte der Vermieter die Wohnung an eine Bekannte weitervermieten. Er kündigte daher das Mietverhältnis ohne Angabe von Gründen gegenüber dem Erben. Dieser jedoch bekundete selbst Interesse an dieser Wohnung und ignorierte die Kündigung, woraufhin der Vermieter auf Räumung klagte.
Entscheidung
Die Räumungsklage des Vermieters hatte keinen Erfolg, obwohl das Begehren des Vermieters, die Wohnung anderweitig zu vermieten, durchaus nachvollziehbar scheint. Schließlich hatte dieser ja den Mietvertrag nur mit dem Verstorbenen geschlossen. Auch aus einem anderen Gesichtspunkt erscheint das Vorgehen des Vermieters durchaus verständlich: Der im Leitsatz erwähnte § 569 BGB besagt, daß der Vermieter beim Tod des Mieters berechtigt ist, das Mietverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Frist zu kündigen.
Zum besseren Verständnis in diesem Zusammenhang folgende Bemerkungen: Mit dem Tod des Mieters geht der Mietvertrag mit allen Rechten und Pflichten auf den oder die Erben über. Nur wenn bestimmte Familienangehörige oder der Ehegatte nicht Erben sind, treten diese in den Mietvertrag automatisch ein, es sei denn, sie widersprechen einer Fortsetzung binnen Monatsfrist. Regelfall dürfte es aber sein, daß der Erbe selbst eine Wohnung hat und auf die geerbte Wohnung nun gar keinen Wert legt. Aus diesem Grund gestattet ihm das Gesetz eine Kündigung. Andererseits kann auch der Vermieter ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses haben, das er gegenüber dem verstorbenen Mieter noch nicht geltend gemacht hat. Gäbe es in diesen Fällen die Bestimmung des § 569 BGB nicht, müßten u. U. lange Kündigungsfristen bis zu einem Jahr abgewartet werden, obwohl die Wohnung vielleicht sogar leersteht. Hier greift besagte Vorschrift ein und erlaubt eine Kündigung mit der gesetzlichen Frist, also zum Ablauf des übernächsten Monats.
Weitere Vergünstigungen wollte der Gesetzgeber dem Vermieter von Wohnraum jedoch nicht einräumen, weshalb nun der ebenfalls im Leitsatz erwähnte § 564b BGB zu beachten ist. Diese Bestimmung besagt, daß der Vermieter von Wohnraum ein Mietverhältnis nur kündigen kann, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Hiernach ist jedenfalls der Tod des Mieters kein Kündigungsgrund. Häufigster Fall berechtigten Interesses im Rahmen der Wohnraumkündigung dürfte der Eigenbedarf an dem jeweiligen Wohnraum sein. Diesen Eigenbedarf hätte der Vermieter auch geltend machen müssen, um dem Erben wirksam kündigen zu können. Zum einen bedarf eine solche Eigenbedarfskündigung neben der Schriftform auch einer Begründung und zum anderen genügt ausschließlich der Eigenbedarf für bestimmte Angehörige und nicht für Freunde oder Bekannte.
Der scheinbare Widerspruch zwischen § 569 BGB einerseits und § 564b BGB anderseits besteht demnach nicht. Zusammengefaßt wird man sagen können, daß die Voraussetzungen einer Eigenbedarfskündigung vorliegen müssen, um das Kündigungsrecht des § 569 BGB geltend machen zu können, will der Vermieter die Wohnung des verstorbenen Erblassers weitervermieten.
Link zur Entscheidung
BGH, Beschluss vom 12.03.1997, VIII ARZ 3/96
Fazit:
Selbst wenn man die Begründung des BGH auch nachvollziehen kann, das Ergebnis bleibt zweifelhaft, da zu hohe Anforderungen an eine Kündigung seitens des Vermieters gestellt werden. Dies gilt jedenfalls für den Fall, daß der Erbe mit dem Erblasser nicht gemeinsam in der Wohnung gewohnt hat und eines Schutzes aus dem Gesichtspunkt des Verlustes der Wohnung als seines bisherigen Lebensmittelpunktes nicht bedarf. Sollte er im Einzelfall auch ein Interesse daran haben, den durch den Erbfall erlangten Mietbesitz zu behalten, bedarf es eines so weitreichenden Kündigungsschutzes nicht.
Abhilfe scheint jedoch in mancherlei Hinsicht gegeben: Zum einen behilft sich die Rechtsprechung derzeit damit, an das berechtigte Interesse des Vermieters bei der Kündigung keine allzu großen Anforderungen zu stellen. Andererseits sind gesetzgeberische Bestrebungen zur Vereinfachung des Mietrechts im Gange. Vorgeschlagen wird in diesem Zusammenhang, daß dem Erben, der nicht in der Wohnung wohnt, auch ohne berechtigtes Interesse gekündigt werden kann.