Leitsatz
Die ordentliche Kündigung eines Mietverhältnisses über Wohnraum durch den Vermieter wegen schuldhafter nicht unerheblicher Ver- tragsverletzung des Mieters (§ 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB) setzt nicht eine Abmahnung des Mieters durch den Vermieter voraus. Allerdings kann der Abmahnung für die Kündigung ausnahmsweise insofern Bedeutung zukommen, als erst ihre Missachtung durch den Mieter dessen Vertragsverletzung das für die Kündigung erforderli- che Gewicht verleiht.
Fakten:
Der Vermieter hatte dem Mieter wegen Zahlungsverzugs fristlos gekündigt, nachdem der Mieter die Miet- erhöhungserklärung des Vermieters wegen gestiegener Betriebskosten nicht beachtet hatte. Der Mieter zahlte daraufhin die Fehlbeträge unter Vorbehalt. Nachdem es im weiteren Verlauf wieder zu erheblichen Zahlungsrückständen gekommen war, weil der Mieter weiterhin die erhöhten Betriebskostenvorauszahlun- gen nicht leistete, kündigte der Vermieter wieder fristlos, hilfsweise ordentlich. Der BGH gibt dem Antrag des Vermieters auf Räumung und Herausgabe statt: Der Mieter war mit seinen Zahlungen in Verzug, da die Erhöhungserklärung des Vermieters im Bezug auf die Betriebskostenvorschüsse wirksam war. Die fristlose Kündigung war dann aber durch die Zahlung innerhalb der Schonfrist gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB unwirksam geworden. Der Vermieter kann ein Wohnraummietver- hältnis nur ordentlich kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat, etwa weil der Mieter die Miete oder den Betriebskostenvorschuss ständig unpünktlich oder unvollständig zahlt oder wenn der Mieter mit diesbezüglichen Zahlungen in Höhe eines Betrags in Verzug ist, welcher zwei Bruttomonatsmieten übersteigt. Der Mieter war in Zahlungsverzug geraten, weil er die Betriebskostenabrechnung des Vermieters für teil- weise falsch hielt. Doch etwaige inhaltliche Fehler der Betriebskostenabrechnung berechtigen den Mieter nicht, die bisherigen Betriebskostenvorschüsse unverändert zu zahlen. Die Erhöhung der Vorschüsse war wirksam unabhängig von der Richtigkeit der Betriebskostenabrechnung. Dieser Rechtsirrtum war vermeidbar. Soweit sich der Mieter auf den Rechtsrat seines Prozessbevollmächtigten verlassen haben sollte, muss er sich dessen Verschulden zurechnen lassen. Durch den Ausgleich der Zahlungsrückstände innerhalb der Frist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB wird zwar die fristlose Kündigung unwirksam, nicht hingegen die fristgemäße Kündigung. Der Ausgleich der Rückstände schließt auch das Verschulden des Mieters nicht aus. Eine Abmahnung war vor der ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses nicht erforderlich.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 28.11.2007, VIII ZR 145/07
Fazit:
Die Frage, ob der or- dentlichen Kündigung eines Miet- verhältnisses wegen schuldhafter nicht unerheblicher Vertragsver- letzung eine Abmahnung oder sogar eine mit Kündigungsandro- hung versehene (qualifizierte) Abmahnung vorauszugehen hat, ist umstritten. Der BGH entscheidet diesen Streit nunmehr eindeutig. In der Begründung der Mietrechtsreform setzt die or- dentliche Kündigung wegen Zah- lungsverzugs keine Abmahnung voraus. Typischerweise erklärt der Vermieter die ordentliche Kündigung wegen schuldhafter nicht unerheblicher Pflichtverletzung des Mieters hilfsweise neben der außerordentlichen fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund. Letzte setzt gemäß § 543 Abs. 3 Satz 1 BGB grundsätzlich eine erfolglose Abmahnung voraus, so dass der Mieter bereits auf diesem Weg gewarnt ist. Einer Abmahnung kann ausnahmsweise allerdings insofern Bedeutung zukommen, als erst ihre Missachtung durch den Mieter dessen Pflichtverletzung das erforderliche Gewicht verleiht, etwa weil vorher nur ein schlichtes Versehen des Mieters vorgelegen hat oder eine Duldung des Vermieters zu vermuten war. Der BGH lässt hier offen, ob der Zahlungsverzug wegen einer wirtschaftlichen Notlage des Mieters dessen Verschulden bei der Pflichtverletzung ausschließt.