Leitsatz
- Bei einem formbedürftigen Mietvertrag ist sowohl die Aufhebung eines Vertrags als auch die Aufhebung einzelner Vertragspflichten des Vermieters formfrei möglich.
- Eine Kündigung nach § 550 BGB ist treuwidrig, wenn sie sich auf eine formunwirksame Änderungsvereinbarung stützt und allein die kündigende Partei von der betreffenden Abrede begünstigt wurde.
- Schaltet der Mieter zur Abwehr einer unberechtigten Kündigung einen Rechtsanwalt ein, so muss der Vermieter die hierdurch entstandenen Kosten nur dann erstatten, wenn der von ihm eingenommene Standpunkt zur Kündigungsberechtigung nicht plausibel gewesen ist.
(Leitsätze der Redaktion)
Normenkette
BGB §§ 280, 542, 550
Kommentar
Zwischen den Parteien besteht ein gewerbliches Mietverhältnis, das am 15.3.2001 begann und erstmals zum Ende des 10. Mietjahrs, also zum 15.3.2011 gekündigt werden kann. Nach der ursprünglichen Vertragsregelung war die Beheizung der Mieträume Sache des Vermieters. Dieser hatte über die Heizkosten jährlich abzurechnen. Im Jahr 2001 wurde diese Vereinbarung auf Wunsch des Vermieters abgeändert. Der Mieter schloss mit einem Energieversorgungsunternehmen einen eigenen Wärmelieferungsvertrag ab; der Vermieter wurde aus der Beheizungsverpflichtung entlassen.
Im Jahr 2009 – also vor Ablauf der Befristung – kündigte der Vermieter das Mietverhältnis unter Berufung auf den Umstand, dass die Änderung der Beheizungsregelung nicht in schriftlicher Form vereinbart worden sei. Der Mieter beauftragte einen Rechtsanwalt mit der Abwehr der Kündigung. Hierfür sind Kosten in Höhe von 2.118,44 EUR entstanden. Das Gericht hatte zu entscheiden, ob das Mietverhältnis durch die Kündigung des Vermieters beendet worden ist und ob der Mieter die Anwaltskosten ersetzt verlangen kann.
1 Kündigung wegen Nichtbeachten der Schriftform
Wird ein Mietvertrag für längere Zeit als 1 Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen, gilt er auf unbestimmte Zeit. Ein solcher Vertrag kann gem. § 550 BGB nach Ablauf des ersten Mietjahrs von jeder Partei gekündigt werden. Gleiches gilt grundsätzlich auch dann, wenn ein formbedürftiger Vertrag abgeändert und hierbei die Schriftform nicht beachtet wird.
Anerkannt ist jedoch, dass die Aufhebung eines Vertrags formfrei erfolgen kann. Nach Ansicht des Gerichts ist auch die Aufhebung einzelner Vertragspflichten (hier: der Beheizungspflicht) formfrei möglich.
Abgesehen davon, verstoße die Kündigung gegen Treu und Glauben. Treuwidrig handle, wer eine später getroffene Abrede, die ihm lediglich vorteilhaft ist, zum Anlass einer Kündigung nimmt. So sei es im vorliegenden Fall, weil die Änderung der Beheizungsvereinbarung auf den ausdrücklichen Wunsch des Vermieters vereinbart worden sei.
2 Schadensersatzpflicht des Vermieters
Kündigt der Vermieter das Mietverhältnis, ohne dass ein Kündigungsgrund besteht, ist er zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet (BGH, Urteil v. 14.1.1988, IX ZR 265/86, NJW 1988 S. 1268; Urteil v. 18.5.2005, VIII ZR 368/03, NJW 2005 S. 2395). Demgegenüber meint das Gericht unter Berufung auf ein Urteil des BGH v. 16.1.2009 (V ZR 133/08, NJW 2009 S. 1262), dass eine Schadensersatzpflicht nur besteht, wenn der vom Kündigenden "eingenommene Standpunkt zur Kündigungsberechtigung nicht plausibel gewesen sei". Hier könne dem Vermieter nicht angelastet werden, dass er irrtümlich eine Kündigungsberechtigung angenommen habe.
Fehlerhaftes Urteil
Dieses Urteil ist hinsichtlich der Leitsätze 1 und 3 fehlerhaft. Zum einen trifft es nicht zu, dass einzelne Vertragspflichten formfrei aufgehoben werden können (Lammel, in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 10. Aufl. 2011, § 550 BGB Rdn.39; Emmerich, in Staudinger (2011), § 550 BGB Rdn.30; Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Aufl. 2008, § 550 BGB Rdn.47). Zum anderen wird das Urteil des BGH vom 16.1.2009 fehlerhaft wiedergegeben. Dort weist der BGH nämlich ausdrücklich darauf hin, dass es bei der Kündigung kein "Recht auf Irrtum" gibt. Das folgt aus der Erwägung, dass der Vermieter mit der Kündigung das Besitzrecht des Mieters in Frage stellt und damit zugleich seine eigene vertragliche Leistungspflicht zur Überlassung der Mietsache verletzt (BGH, Urteil v. 16.1.2009, V ZR 133/08, BGHZ 179 S. 238 unter Rz. 16).
Richtig ist allerdings, dass eine Kündigung treuwidrig ist, wenn sie sich auf eine formunwirksame Änderungsvereinbarung stützt und allein die kündigende Partei von der betreffenden Abrede begünstigt wurde (grundlegend: BGH, Urteil v. 2.7.1975, VIII ZR 223/73, BGHZ 65 S. 49; Urteil v. 14.7.2004, XII ZR 68/02, BGHZ 160 S. 97 unter Rz. 44; Urteil v. 15.11.2006, XII ZR 92/04, NJW 2007 S. 288 unter Rz. 22).
Link zur Entscheidung
OLG Bamberg, Urteil v. 2.3.2011, 3 U 182/10, GuT 2011 S. 50