Ist die Kündigung unwirksam, kann das Arbeitsgericht gleichwohl das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung unter den Voraussetzungen des § 9 KSchG durch ein Gestaltungsurteil auflösen. Die Kündigung muss zumindest auch sozialwidrig i. S. von § 1 Abs. 2, 3 KSchG sein und ein Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses gem. § 9 KSchG gestellt sein.
Auflösungsgründe für den Arbeitnehmer bestehen, wenn ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für unbestimmte Zeit nicht zuzumuten ist. Die Anforderungen sind hier weniger streng als bei § 626 Abs. 1 BGB. Dort kommt es darauf an, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist. Eine Unzumutbarkeit i.S. des § 9 KSchG liegt z. B. vor, wenn Umstände im Betrieb darauf hindeuten, dass der Arbeitnehmer unkorrekt behandelt wird. Ein Auflösungsantrag des Arbeitgebers ist begründet, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen.
Einem Auflösungsantrag des Arbeitnehmers steht es nicht entgegen, wenn die Kündigung neben der Sozialwidrigkeit auch aus anderen Gründen unwirksam ist, z.B. wegen fehlender Betriebsratsanhörung.
Der Arbeitnehmer kann auch bei einer außerordentlichen Kündigung den Auflösungsantrag bei Vorliegen eines Auflösungsgrunds stellen, § 13 Abs. 1 KSchG. Kommt im Fall einer außerordentlichen Kündigung eine Umdeutung in eine ordentliche Kündigung in Betracht, kann der Arbeitnehmer sowohl die Auflösung des Arbeitsverhältnisses hinsichtlich der außerordentlichen und/oder hinsichtlich der ordentlichen Kündigung beantragen (BAG, Urteil v. 26.8.1993, 2 AZR 159/93).
Erklärt der Arbeitgeber die Rücknahme der Kündigung, kann der Arbeitnehmer dennoch den Auflösungsantrag stellen. In der Kündigungsrücknahme ist das Angebot des Arbeitgebers zu sehen, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich fortzusetzen. Mit dem Auflösungsantrag lehnt der Arbeitnehmer dieses Angebot ab.
Der Arbeitnehmer hat die Darlegungs- und Beweislast für die Gründe eines von ihm gestellten Auflösungsantrags. Der Auflösungsantrag kann bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz gestellt werden, § 9 Abs. 1 Satz 3 KSchG.
Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, zu dem die außerordentliche Kündigung ausgesprochen wurde. Die Vorschriften der §§ 10 bis 12 gelten entsprechend, § 13 Abs. 1 Satz 4 KSchG. Die Abfindung setzt das Gericht von Amts wegen im Auflösungsurteil fest.
Die Höhe und die Berechnung der Abfindung legt § 10 KSchG fest. Danach kann das Gericht als Abfindung einen Betrag bis zu 12 Monatsverdiensten festsetzen. Hat der Arbeitnehmer das 50. Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens 15 Jahre bestanden, ist ein Betrag von bis zu 15 Monatsverdiensten festzusetzen. Wenn der Arbeitnehmer das 55. Lebensjahr vollendet hat und das Arbeitsverhältnis mindestens 20 Jahre bestanden hat, kann das Gericht als Abfindung bis zu 18 Monatsverdiensten festsetzen. In der Praxis setzen die Arbeitsgerichte die Abfindung häufig zwischen einem halben und einem Bruttomonatsverdienst pro Beschäftigungsjahr fest.
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