Leitsatz
Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Die beiden aus ihrer Ehe hervorgegangenen minderjährigen Kinder werden von der Ehefrau betreut. Der Ehemann ist wieder verheiratet und hat im Jahre 2003 die beiden Kinder seiner jetzigen Ehefrau adoptiert.
Der Ehemann war seit September 2004 nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über seine Firma als angestellter Kraftfahrer in der von seiner jetzigen Ehefrau betriebenen Firma tätig.
In Jugendamtsurkunden hatte er sich im Jahre 2000 zu monatlichen Unterhaltszahlungen an die ehelichen Kinder verpflichtet. Im März 2005 hat der Ehemann Vollstreckungsgegenklage mit dem Ziel erhoben, dass die Vollstreckung aus den Urkunden für die Zeit ab Oktober 2004 in Höhe der UVG-Leistungen für unzulässig erklärt wird. Im Mai 2005 erhob die gesetzliche Vertreterin der Kinder Widerklage und begehrte nachehelichen Unterhalt ab Oktober 2004 unter Hinweis auf den zwischen ihr und dem Kläger geschlossenen Ehevertrag.
Mit Teil-Anerkenntnis- und Teil-Urteil vom 19.5.2005 hat das AG die Zwangsvollstreckung aus den beiden Jugendamtsurkunden für die Zeit von Oktober 2004 bis einschließlich Mai 2005 in Höhe der jeweiligen UVG-Leistungen für unzulässig erklärt, im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Mit Schlussurteil vom 23.6.2005 wurde der Kläger und Widerbeklagte verurteilt, an die geschiedene Ehefrau nachehelichen Unterhalt ab Oktober 2004 zu zahlen.
Gegen das Schlussurteil hat der Kläger Berufung eingelegt, mit der er eine Herabsetzung der ausgeurteilten Unterhaltsbeträge erstrebte.
Seine Berufung hatte nur zum Teil Erfolg.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG hat der geschiedenen Ehefrau nachehelichen Unterhalt nach § 1570 BGB zuerkannt. Trotz des in dem zwischen den Parteien geschlossenen Ehevertrag vom 5.10.1999 verbindlich festgelegten Bedarfs von 1.000,00 DM sei die Einschränkung der Leistungsfähigkeit des geschiedenen Ehemannes zu berücksichtigen, wie sich aus Ziff. II.2 des Ehevertrages - wonach im Übrigen das Unterhaltsrecht des BGB gelten soll - ergäbe.
Das OLG hielt den geschiedenen Ehemann für nicht in vollem Umfang leistungsfähig. Nach Abzug der Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen belief sich sein bereinigtes Nettoeinkommen auf monatlich rund 1.754,00 EUR. Dieses maßgebliche Einkommen sei in dieser Höhe fortzuschreiben, auch wenn der Kläger die bislang von ihm ausgeübte Nachtarbeit aus gesundheitlichen Gründen ab Mai 2005 eingeschränkt habe, da ein Einkommen in der bezeichneten Größenordnung für einen Kraftfahrer auch bei reiner Tagesarbeit üblicherweise erzielbar sei. Von seinen Einkünften in Abzug zu bringen seien die den vier Kindern geschuldeten Unterhaltsbeträge, wobei auch der Barbedarf der beiden adoptierten Kinder berücksichtigt werden müsse. Dieser Bedarf sei allerdings nicht mit dem vollen Betrag beim Kläger anzusetzen, da mangels entgegenstehender Behauptung anzunehmen sei, dass seine jetzige Ehefrau genauso viel verdiene wie er und daher der Familienunterhalt von beiden Eheleuten in gleichem Umfang aufzubringen ist. Der Ehemann habe daher für den Barbedarf der nicht mehr betreuungsbedürften adoptierten Kinder nur zur Hälfte aufzukommen.
Im Hinblick auf sein Zusammenleben mit einem neuen Ehegatten sei der Selbstbehaltssatz zu ermäßigen. Das OLG ging davon aus, dass die jetzige Ehefrau des Klägers über ein ausreichendes Einkommen verfügt, das es ihr ermöglicht, zumindest den gleichen Anteil an den gemeinsamen Lebenshaltungskosten wie der Kläger zu bestreiten. Dieser Umstand rechtfertige es, wegen anzunehmender Ersparnisse aufgrund gemeinsamer Haushaltsführung den dem Kläger zuzubilligenden Selbstbehalt niedriger anzusetzen. Eine Herabsetzung des Selbstbehalts unter diesem Aspekt ist auch vom BGH wiederholt als sachgerecht angesehen worden (BGH v. 19.11.1997 - XII ZR 1/96, FamRZ 1998, 286; v. 20.3.2002 - XII ZR 216/00, BGHReport 2002, 461 m. Anm. Kühner = MDR 2002, 883 = FamRZ 2002, 742; v. 29.10.2003 - XII ZR 115/01, BGHReport 2004, 19 = MDR 2004, 942 = FamRZ 2004, 24).
Hinsichtlich der Höhe der Herabsetzung besteht bislang keine einheitliche Rechtsprechung. Auch der BGH hat sich hierzu noch nicht abschließend geäußert.
Das OLG schloss sich der in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung an, wonach der "Synergieeffekt" im Zweifel hälftig auf die zusammenlebenden Partner verteilt werden müsse.
Das OLG hat die Revision zugelassen, um zu ermöglichen, dass eine Entscheidung des BGH zur Höhe der Herabsetzung des Selbstbehalts bei Zusammenleben des Unterhaltsverpflichteten mit seinem neuen Ehegatten herbeigeführt wird.
Link zur Entscheidung
OLG Nürnberg, Urteil vom 05.12.2005, 10 UF 826/05