Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustimmungsverweigerung des Betriebsrates nach §§ 99 Absatz 2 BetrVG per E-Mail. Schriftlichkeit nach §§ 99 Absatz 3 Satz 1 BetrVG
Leitsatz (amtlich)
Die Zustimmungsverweigerung eines Betriebsrates gegen eine personelle Maßnahme entspricht nicht dem Schriftlichkeitsgebot aus §§ 99 Absatz 3 Satz 1 BetrVG, wenn diese in elektronischer Form ohne qualifizierte elektronische Signatur im Sinne von §§ 126a BGB übermittelt wird.
Normenkette
BetrVG § 99 Abs. 3 S. 1; BGB §§ 126, 126a
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Beschluss vom 28.11.2007; Aktenzeichen 29 BV 94/07) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen denBeschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom28. November 2007 – 29 BV 94/07 – wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Betriebsrat (Beteiligter zu 2) seine Zustimmung zur Eingruppierung/Umgruppierung der Arbeitnehmer B. L. und R. S. am Standort S. ordnungsgemäß und zu Recht verweigert hat, und zwar insbesondere darüber, ob die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrates per E-Mail frist- und vor allem formgemäß erfolgt ist.
Die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 1) ist ein Logistik-Dienstleistungsunternehmen und gehört dem „Deutsche Lufthansa-Konzern” an. Sie beschäftigt weit mehr als 20 Arbeitnehmer in ihrem Unternehmen. Der Beteiligte zu 2 ist der am Standort S. gebildete – einköpfige – Betriebsrat. Am Standort S. beschäftigte die Arbeitgeberin zum Jahreswechsel 2006/2007 zehn Arbeitnehmer. Dies haben die Beteiligten übereinstimmend im Termin zur Anhörung am 1. August 2008 erklärt (Protokoll Blatt 100 der Akten).
Hintergrund der Streitigkeit zwischen den Beteiligten im vorliegenden Beschlussverfahren ist die Tarifeinigung zwischen der Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg e. V. (AVH) und der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Unter dem 8. Juli 2006 vereinbarten die Tarifparteien mit Wirkung zum 30. Dezember 2006 ein grundlegend neues Vergütungssystem bestehend aus dem Tarifvertrag Vergütungssystem Boden (TV VS Boden DLH) und dem Vergütungstarifvertrag Nr. 1 für das Bodenpersonal der Deutschen Lufthansa AG (VTV Nr. 1 Boden DLH), das den bis Ende des Jahres 2006 gültigen Vergütungstarifvertrag vom 1. April 1989 (VRTV) ablöste. Das neue Vergütungssystem unterscheidet sich von der bisherigen Systematik. Die Vergütungsgruppen wurden insgesamt neu geordnet. Die bisherigen individuellen Stellenbeschreibungen wurden durch eine von den Tarifvertragsparteien vereinbarte Standard-Stellenbeschreibung abgelöst. An der ausgeübten Tätigkeit der Arbeitnehmer änderte sich durch die neue Regelung der Tarifvertragsparteien jedoch nichts. Die Tarifvertragsparteien haben die Positionen nach dem VRTV, den Tätigkeitsmerkmalen nach dem TV VS Boden DLH gegenübergestellt und zu diesem Zweck eine so genannte Zuordnungsmatrix vereinbart. Hinsichtlich des Inhaltes dieser Zuordnungsmatrix wird auf Anlage 5 (Blatt 86 ff. der ArbG-Akte) Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 1. Dezember 2006 (Blatt 107 der ArbG-Akte) leitete die Arbeitgeberin das Beteiligungsverfahren beim Betriebsrat nach § 99 BetrVG für die zehn am Standort S. beschäftigten Arbeitnehmer ein und verlängerte zugleich die Frist nach § 99 Absatz 3 BetrVG bis zum 21. Dezember 2006. Die Arbeitgeberin ließ den Betriebsrat in diesem Zusammenhang weiter wissen, dass sie davon ausginge, ihm alle für die Entscheidung relevanten Unterlagen vorgelegt zu haben, wenn nicht bis 8. Dezember 2006 Genteiliges schriftlich mitgeteilt werde.
Noch vor dem 8. Dezember 2006 forderte der Betriebsrat die Arbeitgeberin auf, Arbeitsplatzbeschreibungen für die Fachkräfte 2/Logistik, Lagerverwaltung und den Sacharbeiter 2/Logistik. Lagerverwaltung und die prozentuale Aufteilung der Tätigkeiten zu ergänzen, was seitens der Arbeitgeberin am 8. Dezember 2006 erfolgte.
Am 13. Dezember 2006 forderte der Betriebsrat die Arbeitgeberin auf, überarbeitete Arbeitsplatzbeschreibungen vorzulegen, was nicht geschah. Mit E-Mail vom 18. Dezember 2006 widersprach der Betriebsrat dem Zustimmungsverlangen der Arbeitgeberin unter Hinweis auf § 99 Absatz 1 und Absatz 2 Nr. 1 BetrVG. Der Betriebsrat übermittelte zu diesem Zweck am Montag, dem 18. Dezember 2006 um 16.51 Uhr die von der Arbeitgeberin vorgelegte E-Mail (vergleiche zu deren Inhalt Blatt 113 der Akte, Anlage A 13). Als Anhang zu dieser Mail war das Widerspruchsschreiben (Blatt 114 der Akte) beigefügt. Erst am 27. Dezember 2006 ist der Arbeitgeberin das vom Betriebsratsvorsitzenden unterzeichnete Widerspruchsschreiben zugegangen. Zu dessen Inhalt wird auf Blatt 115 der ArbG-Akte, Anlage A 14 Bezug genommen und verwiesen.
Mit Antragsschrift vom 26. April 2007 hat die Arbeitgeberin beim Arbeitsgericht Stuttgart das vorliegende Beschlussverfahren eingeleitet. Die Arbeitgeberin hat geltend gemacht, das Beteiligungsverfahren sei ordnungsgemäß eingeleitet worden und der Betriebsrat habe auch innerhalb der verlängerten Widerspruchsfrist nicht formgerecht widersprochen. D...