Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstellung der Zwangsvollstreckung. nicht zu ersetzender Nachteil bei Zahlungstitel
Leitsatz (redaktionell)
Bei der Vollstreckung aus Zahlungstiteln besteht ein nicht zu ersetzender Nachteil vor dem Hintergrund des § 717 Abs. 2 ZPO nur dann, wenn anzunehmen ist, dass der Gläubiger vermögenslos ist, und nicht damit gerechnet werden kann, dass eine Rückzahlung bei Abänderung oder Aufhebung der Entscheidung möglich ist.
Normenkette
ArbGG § 62 Abs. 1 S. 3; ZPO § 719 Abs. 1 S. 1, § 707 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Karlsruhe (Urteil vom 26.07.2006; Aktenzeichen 9 Ca 30/06) |
Tenor
Der Antrag der Beklagten, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 26.07.2006 – 9 Ca 30/06 – einstweilen einzustellen und die bereits vorgenommenen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aufzuheben, wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die beklagte Arbeitgeberin möchte die Zwangsvollstreckung aus einem erstinstanzlichen Urteil vorläufig eingestellt wissen und die bereits getroffenen Vollstreckungsmaßnahmen aufheben lassen.
Im Erkenntnisverfahren streiten die Parteien über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund einer auf Betrugsvorwürfe gestützten, dem Kläger am 02.12.2005 zugegangenen außerordentlichen Kündigung der Beklagten und die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Außerdem verfolgt der Kläger Ansprüche auf Entgelt und Erteilung einer Verdienstabrechnung.
Der am 18.07.1969 geborene Kläger wurde von der Beklagten seit dem 01.01.2005 als Vertriebsleiter beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis sollte erstmals zum 31.12.2009 mit sechsmonatiger Frist ordentlich kündbar sein. Neben einem Monatsentgelt von 2.300,00 Euro brutto wurde das dem Kläger überlassene Fahrzeug mit einem Wert von 328,00 Euro in seinen Entgeltabrechnungen berücksichtigt. Der Kläger ist verheiratet und neben seiner Ehefrau zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Seit dem 03.12.2005 erhält er Arbeitslosengeld von 41,27 Euro täglich. Darüber hinaus arbeitet er im Rahmen eines mit der Bundesagentur für Arbeit abgestimmten Minijobs im Betrieb seiner Mutter und erzielt daraus einen monatlichen Nettoverdienst von 165,00 Euro. Weitere Einkünfte hat er nicht. 1999 musste der Kläger wegen einer im Jahr 1998 gescheiterten selbständigen Tätigkeit die eidesstattliche Versicherung über sein Vermögen abgeben. Im Rahmen der mit seinen Gläubigern getroffenen Vereinbarungen hatte er zuletzt im November 2002 seine Vermögensverhältnisse offen zu legen. Die Mehrzahl seiner Gläubiger ist inzwischen durch Ratenzahlungen und Vergleichsabschlüsse befriedigt. Der Kläger wird nicht mehr im Schuldnerverzeichnis geführt. Derzeit sind keine Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen ihn eingeleitet. Es liegen auch keine gegen ihn gerichteten vollstreckbaren Titel vor. Das Kreditsicherungsinstitut B. führte den Kläger am 30.08.2006 mit einem Bonitäts- oder auch Scorewert von 2.2 bzw. 2.3. Damit attestiert B. dem Kläger in seiner Begrifflichkeit gute bis befriedigende Bonität und nimmt ein unterdurchschnittliches bis durchschnittliches Ausfallrisiko an (Blatt 160 ff. der Berufungsakte).
Die Beklagte ist ein Unternehmen der Lebensmittelindustrie, das regelmäßig zwischen 45 und 50 Arbeitnehmern beschäftigt und der sogenannten T.-Gruppe angehört. Eine Schwestergesellschaft der Beklagten – die G. GmbH – meldete am 14.08.2006 Insolvenz beim Amtsgericht D. an. Ein vorläufiger Insolvenzverwalter ist bestellt. Die Geschäftsführerin dieses Schwesterunternehmens ist personengleich mit der Geschäftsführerin der Beklagten. Die Beklagte und die G. GmbH nutzen in D. dieselben Büroräume und dieselbe Telefonanlage.
Mit Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 26.07.2006 – 9 Ca 30/06 – wurde der Kündigungsschutzklage des Klägers gegen die Beklagte stattgegeben und das Arbeitsverhältnis auf Antrag des Klägers gegen Zahlung einer Abfindung von 30.000,00 Euro aufgelöst. Daneben wurde die Beklagte zur Zahlung der Nettobeträge aus zwei Bruttovergütungen des Klägers von jeweils 2.628,00 Euro nebst Zinsen und zur Erteilung einer Verdienstabrechnung verurteilt.
Gegen das erstinstanzliche Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 28.08.2006 Berufung eingelegt, bevor ihr das in vollständiger Form abgefasste Urteil zugestellt worden war. Zugleich hat sie beim Landesarbeitsgericht beantragt, die Zwangsvollstreckung einstweilen einzustellen und die schon vorgenommenen Vollstreckungsmaßnahmen aufzuheben. Der Kläger betreibt mithilfe einer abgekürzten vollstreckbaren Ausfertigung des arbeitsgerichtlichen Urteils die Vollstreckung und hat in diesem Zusammenhang bereits mehrere vorläufige Zahlungsverbote aussprechen und sie an neun Kunden der Beklagten als Drittschuldner zustellen lassen.
Die Beklagte nimmt an, die Vollstreckung füge ihr einen nicht zu ersetzenden Nachteil im Sinne von § 62 Abs. 1 Satz 2 und 3 ArbGG zu, weil das aktuelle Nettoeinkommen des Klägers von 1.403,10 Euro die Pfändungsfreigrenzen des § 850 c ZPO nicht übersteige. Sie behauptet – durch eidesstattliche Ver...