Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenentscheidung des Berufungsgerichts bei gerichtlichem Vergleich über die gesamte Hauptsache und beiderseitiger Erledigungserklärung
Leitsatz (amtlich)
Eine Kostenentscheidung des Berufungsgerichts gemäß § 91a ZPO, die gemäß § 313a Abs. 2 ZPO analog keine Gründe enthält, führt gemäß Nr. 8222 Nr. 2 KV GKG analog zu einer Ermäßigung der Gebühr Nr. 8220 KV GKG auf 1,6.
Normenkette
ZPO §§ 91a, 313a Abs. 2; GKG-KV Nrn. 8220, 8222 Nr. 2
Verfahrensgang
ArbG Reutlingen (Aktenzeichen 1 Ca 334/14) |
Tenor
Auf die Erinnerung des Klägers wird der Kostenansatz des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 05.01.2016 - 5 Sa 3/15 - abgeändert.
Für das Berufungsverfahren ist eine 1,6-fache Gebühr gemäß Nr. 8222 Nr. 2 KV GKG analog in Höhe von 264,00 € anzusetzen.
Gründe
I.
Die Parteien des Ausgangsverfahrens schlossen im Termin zur Berufungsverhandlung vor der erkennenden Kammer einen Vergleich über die Hauptsache und vereinbarten, dass über die Kosten des Rechtsstreits eine Entscheidung gemäß § 91a ZPO herbeigeführt werden solle. Das Landesarbeitsgericht erlegte dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auf. Beide Parteien verzichteten noch in der mündlichen Berufungsverhandlung auf Rechtsmittel gegen den Beschluss und auf die Wiedergabe von dessen Gründen.
Unter Zugrundelegung des vom Landesarbeitsgericht festgesetzten Streitwerts von 5.915,93 € hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle eine 3,2-fache Gerichtsgebühr Nr. 8220 KV GKG angesetzt (Bl. Ia der Berufungsakte) und dem Kläger in Rechnung gestellt (Bl. Ib der Berufungsakte). Mit der Erinnerung begehrt der Kläger die Herabsetzung der Gebühr auf die Hälfte unter Berufung auf eine analoge Anwendung der Nr. 8222 Nr. 2 KV GKG.
II.
Die Erinnerung des Klägers ist statthaft (§ 66 Abs. 2 GKG). Sie ist formgerecht eingelegt worden (§ 66 Abs. 5 Satz 1 GKG) - eine Fristvorschrift existiert nicht (Hartmann Kostengesetze 45. Aufl. § 66 GKG Rn 40 mwN) - und auch im Übrigen zulässig und begründet. Für das Berufungsverfahren ist nur eine 1,6-fache Gebühr anzusetzen.
1. Die Frage, ob im Falle eines gerichtlichen Vergleichs über die gesamte Hauptsache und eine Kostenentscheidung gemäß § 91a ZPO bei Verzicht der Parteien auf Rechtsmittel gegen die Kostenentscheidung und die Gründe des Beschlusses die 3,2-fache Gebühr gemäß Nr. 8220 KV GKG anzusetzen ist oder eine Gebührenermäßigung eintritt, ist streitig.
a) Nach einer Ansicht (vgl. die Nachweise bei Roloff, Das moderne Kostenrecht im arbeitsgerichtlichen Verfahren, NZA 2007, 900, 905 sowie LAG Baden-Württemberg 11. August 2009 - 20 Sa 93/08 - [...]) ist die volle Gebühr nach Nr. 8220 KV GKG zu entrichten. Die Privilegierung nach Nr. 8222 Nr. 2 KV GKG sei nicht erfüllt, es handele sich nicht um ein Urteil. Die Kostenentscheidung nach § 91a ZPO sei einem Urteil nach § 313a Abs. 2 ZPO nicht gleichgestellt. Der Gesetzgeber habe in Kenntnis der Bemühungen der Gerichte, eine Privilegierung zu erreichen, mit Nr. 8222 Nr. 3 KV GKG eine Sonderregel eingeführt, die abschließend die übereinstimmende Erledigungserklärung regele. Der Gesetzgeber begründe dies damit, dass der Aufwand einer Entscheidung nach § 91a ZPO entfalle, wenn das Gericht keine Kostenentscheidung treffen müsse, oder wenn es bei einer Entscheidung einer zuvor von den Parteien mitgeteilten Einigung in der Kostenfrage uneingeschränkt folge. In diesen Fällen reiche zur Begründung der Entscheidung eine Bezugnahme auf die aktenkundig gemachte Einigung aus. Gleiches gelte, wenn eine Partei ihre Bereitschaft zur Übernahme der Kosten erklärt habe. Dies gelte nicht für eine Entscheidung nach §§ 91a, 313a Abs. 2 ZPO, da das Gericht sich hier eine Meinung bilden müsse, auch wenn sie nicht zu begründen sei. Der Verzicht nach § 313a Abs. 2 ZPO sei nicht von der Privilegierung erfasst. Diese Grundsätze gölten entsprechend für die gleichlautende Nr. 8222 Nr. 2 KV GKG. Ein Wegfall der Gebühr bei Erledigungserklärungen vor streitiger Verhandlung komme ebenso wenig in Betracht. Es fehle auch hier wegen Nr. 8221 Schlussbemerkung KV GKG an einer Regelungslücke. Die Kostenentscheidung ergehe auf der Grundlage des § 91a ZPO.
b) Die Gegenmeinung (vgl. die Nachweise bei Roloff aaO S. 905) sieht dies anders: Die Voraussetzungen des Ermäßigungstatbestands Nr. 1211 Nr. 2 KV GKG (entspricht Nr. 8211 Nr. 2 KV GKG für das erstinstanzliche arbeitsgerichtliche Verfahren) bzw. Nr. 1222 Nr. 2 KV GKG (entspricht Nr. 8222 Nr. 2 KV GKG für das arbeitsgerichtliche Berufungsverfahren), wonach die Kostenermäßigung dann eintritt, wenn ein Urteil nach § 313a Abs. 2 ZPO ergeht, sollen analog gelten. Zwar ergehe hier kein Urteil, sondern lediglich ein Kostenbeschluss nach 91a ZPO. Die Vorschriften des KV GKG seien jedoch unter Berücksichtigung des mit dem Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 verbundenen gesetzgeberischen Ziels auszulegen, zur Entlastung der Justiz Anreize zu einer gütlichen Streitbeilegung zu schaffen (vgl. BT-Drucks. 12/8962, S. 69 f.). Eine Herabsetzung der Verfahrensgebühren solle eintr...