Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsstellung einer Gewerkschaft bei Umwandlung einer deutschen Aktiengesellschaft in eine Europäische Gesellschaft
Leitsatz (amtlich)
1. Der Antrag einer Gewerkschaft, es dem Vorstand einer Europäischen Gesellschaft (SE) zu untersagen, der Hauptversammlung einen Vorschlag zur Satzungsänderung zu unterbreiten, der sich auf die Verkleinerung des Aufsichtsrates richtet, ist unzulässig.
2. Zulässig ist ein Feststellungsbegehren der Gewerkschaft, das sich auf die Unwirksamkeit einer Beteiligungsvereinbarung nach § 21 Abs. 6 SEBG bezieht, die u.a. regelt, dass im Falle der Verkleinerung des Aufsichtsrates kein exklusives Vorschlagsrecht der Gewerkschaften besteht.
3. Eine dahingehende Regelung ist indessen nicht unwirksam. Im Falle einer Umwandlung einer Deutschen Aktiengesellschaft in eine Europäische Gesellschaft schützt zwar § 21 Abs. 6 SEBG alle Komponenten der Arbeitnehmerbeteiligung. Das gewerkschaftliche Vorschlagsrecht fällt aber nicht darunter.
Normenkette
SEBG § 2; SEGB § 21; SEBG §§ 15, 36
Verfahrensgang
ArbG Mannheim (Entscheidung vom 07.12.2017; Aktenzeichen 14 BV 13/16) |
Nachgehend
Tenor
- Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mannheim - Kammern Heidelberg - vom 7. Dezember 2017 - 14 BV 13/16 - wird zurückgewiesen.
- Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
A
Zwischen den Beteiligten sind ein Untersagungs- und mehrere Feststellungsbegehrten im Streit.
Die antragstellenden Gewerkschaften sind im Aufsichtsrat der Bet. Ziff. 3 vertreten, der derzeit aus 18 Mitgliedern besteht. Die Bet. Ziff. 3 ist eine Europäische Gesellschaft (SE), die Software insbesondere zur Abwicklung sämtlicher Geschäftsprozesse eines Unternehmens entwickelt und herstellt. Sie ist in 28 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union vertreten, wobei die meisten Arbeitnehmer auf Deutschland entfallen. Der Bet. Ziff. 4 ist als SE-Betriebsrat das Vertretungsorgan der Arbeitnehmer der SE.
Die Bet. Ziff. 3 war bis zur ihrer Umwandlung in eine SE am 7. Juli 2014 eine Deutsche Aktiengesellschaft. Bei ihr war nach Maßgabe des Mitbestimmungsgesetzes 1976 einen Aufsichtsrat mit 16 Köpfen gebildet, in welchem die Antragsteller vertreten waren.
Am 10. März 2014 schlossen der Vorstand der AG und das besondere Verhandlungsgremium (BVG) eine Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer in der SE (Bl. 94ff. der Akte, nachfolgend: Beteiligungsvereinbarung) auf der Grundlage der Richtlinie des Rates zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer (Richtlinie 2001/86/EG vom 8. Oktober 2001, nachfolgend: Richtlinie) und auf der Grundlage des Gesetzes über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft (SE BG).
Teil I der Beteiligungsvereinbarung enthält Regelungen, die den SE-Betriebsrat betreffen, so zB. unter Ziffer 6 dessen Unterrichtung und Anhörung. Teil II der Vereinbarung enthält Regelungen zur Mitbestimmung im Aufsichtsrat der SE, der paritätisch zusammengesetzt ist.
Die Vereinbarung lautet auszugsweise:
Teil II: Mitbestimmung im Aufsichtsrat der S. SE
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2.2 Dem Aufsichtsrat der S. SE gehören 18 Mitglieder und damit neun Arbeitnehmervertreter an, bis die Satzung dahingehend abgeändert wird, dass dem Aufsichtsrat zukünftig zwölf Mitglieder und damit sechs Arbeitnehmervertreter angehören. Ein solcher satzungsändernder Beschluss kann frühestens in der ordentlichen Hauptversammlung 2018 gefasst werden und setzt voraus, dass Aufsichtsrat und Vorstand der Hauptversammlung einen diesbezüglichen gleichlautenden Satzungsänderungsvorschlag gem. § 124 Abs. 2 AktG machen...
...
3.3 Verfahren für die Vorschläge zur Bestellung der Arbeitnehmervertreter bei einem Aufsichtsrat mit 18 Mitgliedern...
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3.3.2 Die von den ersten sieben Sitzen auf Deutschland entfallenden Arbeitnehmervertreter werden durch Urwahl aller S. Arbeitnehmer mit gewöhnlichem Arbeitsort in Deutschland bestimmt...
...
- für Vertreter von in der S.-Gruppe in Deutschland vertretenen Gewerkschaften sind folgende Sitze reserviert: Wenn auf Deutschland von den ersten sieben Sitzen mindestens vier Sitze entfallen, ein Sitz, und wenn auf Deutschland von der ersten sieben Sitzen mindestens sechs Sitze entfallen, zwei Sitze.
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3.4 Verfahren für die Vorschläge zur Bestellung der Arbeitnehmervertreter bei einem Aufsichtsrat mit zwölf Mitgliedern
...
3.4.2 Die von den ersten vier Sitzen auf Deutschland entfallenden Arbeitnehmervertreter werden durch Urwahl aller S. Arbeitnehmer mit gewöhnlichem Arbeitsort in Deutschland bestimmt ...
...,
- jeder zweite auf Deutschland entfallende Sitz ist für Vertreter des Konzernbetriebsrats reserviert. In Bezug auf diese Sitze steht dem Konzernbetriebsrat das ausschließliche Vorschlagsrecht zu, ...
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- Leitenden Angestellten und Gewerkschaften stehen keine reservierten Sitze im Aufsichtsrat der S. SE zu
...
Mit der am 22. Dez...