Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorabzuweisung der Reisekosten für die Reise des Klägers zum Gütetermin im Rahmen der Prozesskostenhilfe
Leitsatz (amtlich)
1. Verfahren: Die Entscheidung des zuständigen Gerichts über ein Gesuch auf Reiseentschädigung stellt keine Tätigkeit der Justizverwaltung, sondern einen Akt der Rechtsprechung dar, gegen den die sofortige Beschwerde gemäß § 127 ZPO analog gegeben ist.
2. Objektive Voraussetzungen: Die Anordnung einer Reisekostenentschädigung zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung kommt nur dann in Betracht, wenn im Rahmen einer Gesamtabwägung aller Umstände festgestellt werden kann, dass die Anreise zum Termin auch bei einer bemittelten Partei zur verständigen Wahrnehmung ihrer Rechte als notwendig zu erachten wäre.
3. Subjektive Voraussetzungen: Für die Bestimmung des Begriffs der Mittellosigkeit ist das Sozialhilferecht als Maßstab heranzuziehen.
Normenkette
ZPO § 127 Abs. 2 S. 2; VwV-Reiseentschädigung Nr. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 07.04.2014; Aktenzeichen 12 Ca 529/14) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Ludwigsburg - vom 07.04.2014 - 12 Ca 529/14 - abgeändert.
Dem Kläger sind für die Reise zu dem noch anzuberaumenden Gütetermin die erforderlichen Mittel zu gewähren.
Gründe
I.
Die sofortige Beschwerde des antragstellenden Klägers des Ausgangsverfahrens richtet sich gegen die Versagung der erforderlichen Mittel für die Reise zum - wieder aufgehobenen - Gütetermin.
Im Ausgangsverfahren macht der Kläger die Berichtigung seines Ausbildungszeugnisses geltend und begehrt hierfür die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sowie die Vorabzuweisung der Mittel für die Reise zum Gütetermin.
Das Arbeitsgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag noch nicht verbeschieden, den Reisekostenantrag zurückgewiesen und den anberaumten Gütetermin mit der Begründung aufgehoben, nach einer Entscheidung über die Beschwerde des Klägers neu terminieren zu wollen.
Mit der vom Arbeitsgericht nicht abgeholfenen sofortigen Beschwerde beharrt der Kläger weiter auf der Zurverfügungstellung von Mitteln für eine Fahrkarte vom gegenwärtigen Ausbildungsort zur Gerichtsverhandlung.
II.
1. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist statthaft (§ 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO analog). Die Entscheidung des zuständigen Gerichts über ein Gesuch der Partei auf Reiseentschädigung stellt keine Tätigkeit der Justizverwaltung, sondern einen Akt der Rechtsprechung dar, gegen den die sofortige Beschwerde gemäß § 127 ZPO analog gegeben ist (vgl. LAG Düsseldorf 19. August 2013 - 13 Ta 213/13 - [...]). Der gegenteiligen Auffassung (vgl. OVG Sachsen-Anhalt 13.09.2006 - 1 O 169/06 - [...]), wonach es sich bei einer Entscheidung über eine Reiseentschädigung auf der Grundlage der bundeseinheitlichen Vorschriften über die Gewährung von Reiseentschädigungen an mittellosen Personen und Vorschusszahlungen für Reiseentschädigungen an Zeuginnen, Zeugen, Sachverständige, Dolmetscherinnen, Dolmetscher, Übersetzerinnen und Übersetzer, ehrenamtliche Richterinnen, ehrenamtliche Richter und Dritte (in Baden-Württemberg: Verwaltungsvorschrift des Justizministeriums über die Gewährung von Reiseentschädigungen ≪VwV Reiseentschädigung≫ vom 27. April 2006 - 5110/0199 ≪Die Justiz S. 245≫, geändert durch die Verwaltungsvorschrift vom 6. August 2009 - 5110/0199 ≪Die Justiz S. 236≫, letztmals geändert durch die Verwaltungsvorschrift vom 22. Januar 2014 - 5110/0199 ≪Die Justiz S. 50≫) um eine nicht beschwerdefähige Tätigkeit der Gerichtsverwaltung handele, ist nicht zu folgen. Zwar kann nach Nr. 2 der VwV Reiseentschädigung im Eilfall auch die Präsidentin oder der Präsident bzw. die Direktorin oder der Direktor des Amtsgerichts, in dessen Bezirk sich der Antragsteller aufhält, im Verwaltungsweg eine Reiseentschädigung bewilligen. Im Streitfall wendet der Kläger sich jedoch nicht gegen eine solche "Eilentscheidung", sondern gegen eine solche der auch in der Sache zuständigen Kammer des Arbeitsgerichts. Hiergegen ist in entsprechender Anwendung des § 127 ZPO die sofortige Beschwerde eröffnet.
2. Diese ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 569 Abs. 1, Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO analog) und auch im Übrigen zulässig. Der ursprüngliche Antrag des Klägers bezog sich zwar ausdrücklich nur auf die ihm für die Reise zum Gütetermin am 24.04.2014 entstehenden Kosten. Er ist jedoch in dessen wohlverstandenem Interesse dahin auszulegen, dass unbeschadet jenes zwischenzeitlich wegen der eingelegten Beschwerde aufgehobenen Termins generell Mittel für diese Reise zu dem neu anzuberaumenden Gütetermin begehrt werden. So haben auch das Arbeitsgericht und der Kläger den Antrag verstanden, indem ersteres den Gütetermin vom 24.04.2014 aufgehoben und der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und zweiterer die sofortige Beschwerde aufrechterhalten hat.
III.
Die sofortige Beschwerde ist begründet. Dem Kläger sind die Mittel für die Reise zu dem noch anzuberaumend...