Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeitskonflikt. Außendienstmitarbeiter. Tätigkeit von der Wohnung aus. Reisebezirk. Bestimmung des örtlich zuständigen Arbeitsgerichts für den Rechtsstreit
Leitsatz (redaktionell)
Die örtliche Zuständigkeit für Kündigungsschutzklagen nach § 4 KSchG bestimmt sich bei Außendienstmitarbeitern regelmäßig auch nach § 29 ZPO. Regelmäßig ist das Arbeitsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Außendienstmitarbeiter seine Tätigkeit erbringt (im Anschluss an BAG, Urteil vom 12.06.1986 – 2 AZR 398/85).
Eine nicht bindende weil willkürliche Verweisung eines Rechtsstreites wegen örtlicher Unzuständigkeit liegt auch dann vor, wenn das Arbeitsgericht den Parteien vor der Verweisungsentscheidung kein rechtliches Gehör gewährt oder aber deren Vortrag gänzlich unbeachtet lässt.
Normenkette
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6, § 29
Verfahrensgang
ArbG Neuruppin (Aktenzeichen 5 Ca 199/05) |
ArbG Stuttgart (Aktenzeichen 13 Ca 3/05) |
Tenor
Als örtlich zuständiges Gericht wird das Arbeitsgericht Stuttgart bestimmt.
Tatbestand
I.
Der Antrag des vorlegenden Arbeitsgerichts Neuruppin hat die Bestimmung des örtlich für den vorliegenden Rechtsstreit zuständigen Arbeitsgerichts zum Ziel.
Gegenstand des Verfahrens ist in erster Linie eine Feststellungsklage nach § 4 KSchG. Der Kläger war als Außendienstmitarbeiter „im südostwürttembergischen Bereich” von seinem Wohnort in Aalen aus tätig und hatte von dort aus die Kunden des beklagten Arbeitgebers aufzusuchen. Der Landkreis Aalen gehört zum Bezirk des Arbeitsgerichts Stuttgart. Der Kläger hat das Kündigungsschreiben der Beklagten vorgelegt, wonach der für den Kläger zuständige Betriebsrat in München „ordnungsgemäß angehört worden” sei.
Mit Verfügung vom 05. Januar 2005 (Bl. 6 der Akte) hat der mit der Sache befasste Vorsitzende auf Bedenken wegen der örtlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts hingewiesen und (nur) der Beklagten „Gelegenheit” gegeben, „zur Frage der örtlichen Zuständigkeit „Stellung zu nehmen”. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 14.01.2005 (Bl. 8 der Akte) erklärt, gegen die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Stuttgart – Kammern Aalen – bestünden keine Bedenken.
Mit Beschluss vom 26.01.2005 (Bl. 9/10 der Akte) hat sich das ursprünglich vom Kläger angegangene Arbeitsgericht Stuttgart ohne weiteren Hinweis für örtlich unzuständig erklärt, da der Erfüllungsort des Arbeitsverhältnisses nicht im Bezirk dieses Arbeitsgerichts liege, und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Neuruppin verwiesen, in dessen Bezirk die Beklagte ihren allgemeinen Gerichtsstand hat.
Das Arbeitsgericht Neuruppin hat mit Beschluss vom 02.02.2005 (Bl. 14 der Akte) die „Übernahme des Rechtsstreits” „abgelehnt” und die Akte des Rechtsstreits dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts vorgelegt. Es meint, diese Entscheidung binde es nicht, weil sie unter Verstoß gegen die Verpflichtung des Arbeitsgerichts Stuttgart, den Parteien hinreichend rechtliches Gehör zu gewähren, ergangen sei und außerdem aufgrund der oben genannten Erklärung der Beklagten auch die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Stuttgart prorogiert worden sei.
Die Parteien haben sich zum Verfahren nicht mehr geäußert.
Entscheidungsgründe
II.
Es ist das Arbeitsgericht Stuttgart als örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen.
1. Der Antrag des Arbeitsgerichts Neuruppin ist zulässig. Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Beide Arbeitsgerichte haben sich mit bindender Wirkung für unzuständig erklärt. Zwar hat das Arbeitsgericht Neuruppin lediglich beschlossen, dass „die Übernahme des Rechtsstreits abgelehnt” werde. Dies bedeutet aber der Sache nach, dass es sich für örtlich unzuständig erklären wollte im Sinne der genannten Gesetzesbestimmung. Das Arbeitsgericht Neuruppin hat auch zu Recht die Sache dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg vorgelegt, weil § 36 Abs. 2 ZPO über § 46 Abs. 2 ArbGG entsprechend auf die jeweiligen Gerichte für Arbeitssachen anzuwenden ist (vgl. BAG, Beschluss vom 14. Juli 1998 – 5 AS 22/98 – AP Nr. 54 zu § 36 ZPO). Im Falle eines negativen Kompetenzkonflikts bedarf es keines Antrags einer Partei. Dass es ebenfalls insoweit gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verstoßen haben könnte, als es seinerseits die Parteien nicht zuvor von seiner Absicht in Kenntnis setzte, hat hier keine weiteren rechtlichen Auswirkungen. Die Parteien haben dies vorliegend auch nicht gerügt.
2. Die sonach eröffnete Sachentscheidung führt zu dem aus dem Tenor ersichtlichen Ergebnis. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:
a) Die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses ist auch im Bestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu beachten. Als zuständig ist daher dasjenige Gericht zu bestimmen, an das die Sache durch den ersten Verweisungsbeschluss gelangt ist, wenn diesem die Bindungswirkung nicht ausnahmsweise wegen offensichtlicher Gesetzeswidrigkeit fehlt. Offensichtlich gesetzwidrig ist ein Verweisungsbeschluss dann, wenn er jeder Rec...