Entscheidungsstichwort (Thema)
Entbindung eines für die Arbeitnehmerseite berufenen ehrenamtlichen Richters bei gleichzeitiger Rechtsstellung als Arbeitgeber
Leitsatz (amtlich)
Ein ehrenamtlicher Richter ist gemäß von seinem Amt gemäß § 21 Abs. 5 ArbGG zu entbinden, wenn er aufgrund seiner Arbeitnehmereigenschaft als ehrenamtlicher Richter aus den Kreisen der Arbeitnehmer berufen wurde und er neben seinem Arbeitsverhältnis zugleich als Arbeitgeber (hier: Inhaber einer kleinen Spedition) tätig ist. Der ehrenamtliche Richter hat kein Wahlrecht, bei dieser Fallgestaltung entweder dem Kreis der Arbeitnehmer oder dem Kreis der Arbeitgeber zugeordnet zu werden. Vielmehr scheidet eine Berufung als ehrenamtlicher Richter insgesamt aus.
Normenkette
ArbGG § 16 Abs. 1, § 21 Abs. 5 S. 1
Tenor
Der ehrenamtliche Richter A. R. wird von seinem Amt als ehrenamtlicher Richter beim Arbeitsgericht Freiburg auf Antrag der zuständigen Stelle (Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg) gemäß § 21 Abs. 1 und 5 ArbGG entbunden.
Gründe
I.
Gegenstand des Verfahrens ist die Amtsentbindung eines ehrenamtlichen Richters.
Der ehrenamtliche Richter A. R. wurde auf Vorschlag des Deutschen Gewerkschaftsbundes - Landesbezirk Baden-Württemberg für die Zeit vom 1. Juli 2002 bis 30. Juni 2007 zum ehrenamtlichen Richter aus Kreisen der Arbeitnehmer beim Arbeitsgericht Freiburg berufen. Seine Wiederberufung erfolgte für die Zeit vom 1. Juli 2007 bis 30. Juni 2012 und vom 1. Juli 2012 bis 30. Juni 2017. In den für die Berufung vorgelegten Personalbögen hatte der ehrenamtliche Richter jeweils angegeben, dass er als Forstwirtschaftsmeister beim Staatlichen Forstamt St. Märgen beschäftigt sei.
Mit Schreiben vom 17. April 2013 teilte das Arbeitsgericht Freiburg der für die Angelegenheiten der ehrenamtlichen Richter beim Landesarbeitsgericht zuständigen Stelle (betraut ist hiermit Vorsitzende Richter am Landesarbeitsgericht Reiner Müller) mit, es sei festgestellt worden, dass der ehrenamtliche Richter neben seiner Arbeitnehmerfunktion gleichzeitig als Arbeitgeber tätig sei. Er sei Inhaber einer Spedition mit ungefähr acht angestellten Arbeitnehmern. Dieser Umstand sei bemerkt worden, als der ehrenamtliche Richter im Zeitraum vom Dezember 2012 bis März 2013 einige Termine beim Arbeitsgericht Freiburg in seiner Arbeitgeberfunktion wahrgenommen habe. Das Arbeitsgericht Freiburg bat die zuständige Stelle um Prüfung, ob auf Grund der Tätigkeit sowohl als Arbeitnehmer als auch als Arbeitgeber Bedenken hinsichtlich der Ausübung des Amtes als ehrenamtlicher Richter bestünden.
Mit Schreiben vom 15. April 2013 teilte Herr Müller mit, dass aus den vom Arbeitsgericht Freiburg mitgeteilten Gründen die Amtsentbindung des ehrenamtlichen Richters beantragt werde. Er legte den Vorgang der geschäftsplanmäßig für die Amtsentbindungen zuständigen Kammer 1 des Landesarbeitsgerichts vor.
Mit Schreiben vom 18. April 2013 gab die Kammer 1 dem ehrenamtlichen Richter unter Darlegung des Sachverhalts die Gelegenheit zur Stellungnahme. Eine Äußerung des ehrenamtlichen Richters ging nicht ein.
II.
Der Entbindungsantrag ist zulässig und begründet.
1. Der Entbindungsantrag ist zulässig. Er ist von der zuständigen Stelle im Sinne des § 20 Abs. 2 ArbGG gestellt worden. Zuständige Stelle ist aufgrund der Geschäftsverteilung des Landesarbeitsgerichts der Vorsitzende Richter am Landesarbeitsgericht Müller in seiner Verwaltungszuständigkeit.
2. Der Entbindungsantrag ist auch begründet. Die Voraussetzungen für eine Amtsentbindung nach § 21 Abs. 5 S. 1 ArbGG liegen vor.
a) Nach der genannten Bestimmung ist der ehrenamtliche Richter auf Antrag der zuständigen Stelle von seinem Amt zu entbinden, wenn das Fehlen einer Voraussetzung für die Berufung nachträglich bekannt wird oder eine Voraussetzung nachträglich wegfällt. Im vorliegenden Fall ist nachträglich bekannt geworden, dass der für die Arbeitnehmerseite berufene ehrenamtliche Richter R. entweder bereits bei seiner Berufung oder jedenfalls anschließend neben seiner Stellung als Arbeitnehmer zusätzlich die Funktion eines Arbeitgebers übernommen hat. Dieser Umstand führt zum Wegfall der Berufungsvoraussetzung, weil ein ehrenamtlicher Richter entweder dem Kreis der Arbeitnehmer oder dem Kreis der Arbeitgeber zuzuordnen sein muss.
b) Im vorliegenden Fall stellt sich die bisher wenig erörterte Rechtsfrage, welche Folgen es für die Berufung eines ehrenamtlichen Richters hat, wenn er in unterschiedlichen Rechtsverhältnissen sowohl dem Kreis der Arbeitnehmer als auch dem Kreis der Arbeitgeber angehört. In Betracht kommt das Auslegungsergebnis, dass der ehrenamtliche Richter unter diesen Umständen nach seiner Wahl entweder als ehrenamtlicher Richter aus Kreisen der Arbeitnehmer oder als solcher aus Kreisen der Arbeitgeber zu berufen ist. Denkbar ist aber auch das Auslegungsergebnis, dass unter diesen Umständen weder eine Berufung als ehrenamtliche Richter aus den Kreisen der Arbeitnehmer noch eine Berufung als ehrenamtlicher Richter aus Kreisen der Arbeitgeber mögl...