Entscheidungsstichwort (Thema)
Kosten. Berufung. Veranlassungsprinzip
Leitsatz (redaktionell)
War zum Zeitpunkt der Einlegung der Berufung das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Berufungsführers eröffnet, kann der Berufungsführer selbst nicht mehr wirksam Berufung einlegen. Für die Kostenentscheidung kommt das Veranlassungsprinzip zur Anwendung. Hiernach hat in einem solchen Fall nicht die Insolvenzschuldnerin, sondern deren Prozessbevollmächtigte als vollmachtlose Vertreterin die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Normenkette
ZPO § 516 Abs. 3
Nachgehend
Tenor
1. Die Kosten des Berufungsverfahren trägt Frau Rechtsanwältin Dr. F…
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Mit erstinstanzlichem Urteil vom 18.05.2004 wurde der Klage gegen die Beklagte stattgegeben.
Bereits am 12.05.2004 war in dem Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der Beklagten Herr Rechtsanwalt T… H… zum vorläufigen Insolvenzverwalter (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO) bestellt worden. Gegen das der Beklagten am 17.06.2004 zugestellte Urteil legte diese durch ihre Prozessbevollmächtigte Frau Rechtsanwältin Dr. F… am 01.07.2004, 17:00 Uhr Berufung zum Landesarbeitsgericht ein. Am 01.07.2004, 8:00 Uhr war das Insolvenzverfahren mit Rechtsanwalt T… H… als Insolvenzverwalter eröffnet worden.
Mit Schriftsatz vom 11.10.2004 ist die Berufung wirksam zurückgenommen worden (Baumbach/Albers, ZPO, 61. Aufl. § 516 Rn. 6; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 24. Aufl. § 516 Rn. 15).
Entscheidungsgründe
II.
Gemäß § 516 Abs. 3 ZPO ist durch Beschluß über die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu entscheiden. Diese hat Frau Rechtsanwältin Dr. F…, H…, zu tragen.
1. Grundsätzlich trägt diejenige Partei die Kosten, die das Rechtsmittel eingelegt hat. Zum Zeitpunkt des Eingangs am 01.07.2004 war über das Vermögen der Firma B… B… GmbH (Beklagte/Berufungsklägerin/Insolvenzschuldnerin) das Insolvenzverfahren eröffnet, sodass diese durch Frau Rechtsanwältin Dr. F… nicht wirksam Berufung eingelegt hat. Unter diesen Umständen kommt hinsichtlich der zu treffenden Kostenentscheidung das Veranlassungsprinzip zur Anwendung. Hiernach trägt nicht die Insolvenzschuldnerin als Veranlasserin, sondern Frau Rechtsanwältin Dr. F… als vollmachtlose Vertreterin die Kosten der Berufung. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin, vertreten durch die Geschäftsführerin Frau Dipl.-Kauffrau G… S…, ging per Telefax die Berufung am 01.07.2004, 17:00 Uhr beim Landesarbeitsgericht ein. Zu diesem Zeitpunkt waren die Wirkung der Insolvenzeröffnung bereits eingetreten, sodass die Frau Rechtsanwältin Dr. F… erteilte Vollmacht zur Einlegung der Berufung erloschen war (§ 117 Abs. 1 InsO). Für die ab 01.07.2004, 8:00 Uhr, nicht mehr prozessführungsbefugte Insolvenzschuldnerin lag keine rechtswirksame Berufungseinlegung vor; die Insolvenzschuldnerin ist nicht Partei des Berufungsverfahrens geworden.
2. Bei vollmachtloser Vertretung sind die Kosten des Rechtsstreits – insoweit ist zu unterscheiden gegenüber den durch einstweilige Zulassung gemäß § 89 ZPO entstandenen Kosten – abweichend vom Wortlaut der §§ 91 ff ZPO demjenigen Verfahrensbeteiligten aufzuerlegen, der das Auftreten des vollmachtlosen Vertreters veranlasst hat (Veranlassungsprinzip). Die angeblich (unwirksam) vertretene Partei trägt die Kosten selbst, wenn sie das Auftreten des Vertreters selbst veranlasst hat. Ist dies nicht der Fall, so können die Kosten auch dem vollmachtlosen Vertreter selbst auferlegt werden.
Grundsätzlich bestehen keine Bedenken, dem vollmachtlosen Vertreter persönlich die Verfahrenskosten aufzuerlegen, sofern dieser in Kenntnis des Fehlens bzw. der Unwirksamkeit der Vollmacht für die Partei aufgetreten ist. Dabei ist bloße Fahrlässigkeit bei der Beurteilung der Wirksamkeit der Vollmacht nicht genügend (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 88 Rz. 11 m. w. N.).
3. Aus den insolvenzrechtlichen Beschränkungen ergibt sich, dass für die Insolvenzschuldnerin nicht rechtswirksam Berufung eingelegt worden ist. Die von der Insolvenzschuldnerin nach Urteilszustellung am 17.06.2004 erteilte Vollmacht zur Berufungseinlegung konnte jederzeit gemäß § 117 Abs. 1 InsO erlöschen. Bei diesem, nach Sachlage verwirklichten Risiko, ist es nicht sachgerecht, der Insolvenzschuldnerin als Veranlasserin die Kosten der Berufung aufzuerlegen. Die insolvenzrechtlichen Beschränkungen sollen gerade verhindern, dass sich die Insolvenzschuldnerin, eventuell unter Zuhilfenahme Dritter, über die dem Insolvenzverwalter zugedachten Kompetenzen (unbefugt) hinwegsetzt. Hierzu zählt auch das Auslösen von Prozesskosten. Wer als Prozessvertreter derartige Aktivitäten der Insolvenzschuldnerin unterstützt, obwohl das jederzeitige Erlöschen der Vollmacht nach § 117 Abs. 1 InsO ansteht, handelt auf eigenes Risiko. Dies rechtfertigt es dem vollmachtlosen Vertreter nach dem Veranlassungsprinzip die Kosten der Berufungseinlegung aufzuerlegen.
4. a) ...