Entscheidungsstichwort (Thema)
Antragsbefugnis eines Ersatzmitglieds des Betriebsrats im Beschlussverfahren. andere Arbeitnehmervertretungsstruktur im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. Vertretungsmonopol des Betriebsrats. gewerkschaftliche Präsenz auf betrieblicher Ebene in Gestalt von Vertrauensleuten. Bestellung so genannter Beauftragter des Betriebsrats durch Mehrheitsbeschluss des Betriebsrats. Minderheitenschutz im Betriebsverfassungsrecht außerhalb gesetzlich geregelter Fälle. zusätzliche betriebsverfassungsrechtliche Vertretung im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG
Leitsatz (amtlich)
1. So genannte Beauftragte des Betriebsrats, die nicht in einer Organstruktur zusammengefasst sind, sind keine zusätzliche betriebsverfassungsrechtliche Vertretung im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG.
2. So genannte Beauftragte des Betriebsrats, die nicht in einer Organstruktur zusammengefasst sind, sind jedenfalls dann keine mit der Stellung des Betriebsrats unvereinbare und deshalb betriebsverfassungsrechtlich unzulässige „Nebenvertretung” der Arbeitnehmer, wenn der Betriebsrat ungeachtet ihrer Existenz seine Mitwirkungsrechte sowohl autonom als auch effektiv nutzen kann und nutzt.
3. Die Bestellung so genannter Beauftragter des Betriebsrats, die nicht in einer Organstruktur zusammengefasst sind, kann durch Mehrheitsbeschluss des Betriebsrats gemäß § 33 BetrVG erfolgen, ohne dass ein Minderheitenschutz gewährleistet sein muss.
Normenkette
BetrVG § 3 Abs. 1 Nr. 5, §§ 33, 19, 3 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 08.04.2009 – 2 BV 123/08 – wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit mehrerer Betriebsratsbeschlüsse und die Rechtsfolgen aus einer etwaigen Unwirksamkeit. Durch diese Beschlüsse hat der Betriebsrat mit einfacher Stimmenmehrheit die so genannten Beauftragten des Betriebsrats bestimmt, die Hilfsfunktionen für den Betriebsrat wahrnehmen sollen. Die Regelungen, die hierzu in zwei Betriebsvereinbarungen sowie in der Geschäftsordnung des Betriebsrats enthalten sind, bilden nach Ansicht der antragstellenden beiden Betriebsratsmitglieder und des antragstellenden Betriebsratsersatzmitglieds keine ausreichende, insbesondere keine den nötigen Minderheitsfraktionenschutz gewährleistende Rechtsgrundlage.
A.
Die seit der Beschwerdeinstanz als Beteiligte zu 5 beteiligte Arbeitgeberin ist ein Automobilhersteller (künftig: Arbeitgeberin). Sie ist Mitglied im Arbeitgeberverband Südwestmetall. In ihrem Werk S. (künftig: Betrieb) beschäftigt sie circa 35.000 Arbeitnehmer. Der Beteiligte zu 4 ist der in diesem Betrieb gebildete Betriebsrat (künftig: Betriebsrat). Er setzte sich nach der vorletzten Wahl, also bis zur Neuwahl 2010 und noch bei Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens aus 57 Mitgliedern zusammen. Von diesen gehörten fünf Mitglieder unabhängigen Listen an, sieben Mitglieder der Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM) und 45 Mitglieder der IG Metall (künftig: Mehrheitsgewerkschaft). Die drei Antragsteller waren Mitglieder dieses Betriebsrats und hatten auf unabhängigen Listen kandidiert. Mit der letzten, im März 2010 abgehaltenen Betriebsratswahl wurde ein Betriebsrat mit 55 Mitgliedern gewählt. Er setzt sich zusammen aus vier Kandidaten der Liste DU („Die Unabhängige”), darunter der Beteiligte zu 3, einem Kandidaten der Liste „Die Alternativen” und einem Mitglied der Liste „Freie Betriebsräte”, letzteres ist der Beteiligte zu 1. Außerdem wurden fünf Kandidaten der Liste der CGM und 44 Kandidaten der Mehrheitsgewerkschaft gewählt. Der Beteiligte zu 2, der ebenfalls auf einer unabhängigen Liste kandidiert hatte, ist seit der Wahl 2010 nur noch Ersatzmitglied des Betriebsrats. Zum Zeitpunkt der Anhörung der Beteiligten vom 10.05.2010 war der Beteiligte zu 2 bereits einmal herangezogen worden.
Der Betriebsrat verfügt über ein mit mehreren Personen besetztes Sekretariat sowie über weitere Mitarbeiter, welche dem Betriebsrat fachlich zuarbeiten. Unter anderem vor dem Hintergrund der großen Anzahl zu betreuender Arbeitnehmer entwickelte sich im Betrieb die Einrichtung der so genannten Beauftragten des Betriebsrats (künftig: Beauftragte). Eine rechtliche Regelung erfuhr diese Einrichtung erstmals am 01.03.1996 durch eine Betriebsvereinbarung. Es handelt sich um die „Betriebsvereinbarung zur Neuregelung des Betriebsversammlungsablaufes und der Kommunikationsmöglichkeiten am Standort S.” vom 01.03.1996 (künftig: BV 1996, Anlage A 1, Bl. 19 bis 20 ArbG-Akte). Diese Betriebsvereinbarung enthält zu den Beauftragten die folgenden Regelungen:
„2. |
Kommunikationskonzept des Betriebsrats |
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2.1 |
Der Betriebsrat benennt Beauftragte namentlich in den Centern. Dabei darf die Gesamtzahl von 1000 Beauftragten nicht überschritten werden. |
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2.2 |
Aufgaben der Beauftragten des Betriebsrats sind u. a.:
- Unterstützung des Betriebsrats bei...
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