Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwaltsvergütung bei Prozesskostenhilfeantrag für Vergleichsmehrwert und Mitwirkung des Gerichts am Zustandekommen des Mehrvergleichs

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Einigungsgebühr für den Vergleichsmehrwert beträgt auch dann gemäß Nr. 1000 VV RVG 1,5, wenn Prozesskostenhilfe für den Vergleichsmehrwert beantragt ist und das Gericht über die bloße Protokollierung hinaus am Zustandekommen des Mehrvergleichs mitgewirkt hat (Anschluss an LAG Düsseldorf 25. September 2014 - 5 Sa 273/14 - und 13. Oktober 2014 - 13 Ta 342/14 unter Aufgabe der bisher entgegenstehenden Rechtsprechung der erkennenden Kammer ≪7. September 2010 - 5 Ta 132/10 - jeweils [...]≫).

2. In diesem Fall kann der beigeordnete Rechtsanwalt auch die Erstattung einer 0,8-fachen Differenzverfahrensgebühr und einer 1,2-fachen Terminsgebühr aus dem Vergleichsmehrwert gegenüber der Staatskasse verlangen (wie OLG Koblenz 10. September 2015 - 9 WF 931/15 - und gegen LAG Hamm 16. September 2015 - 6 Ta 419/15 - jeweils [...]).

 

Normenkette

RVG §§ 2, 48 Abs. 3, § 49; RVG-VV Nr. 1000 Abs. 1 S. 1, Nr. 1003 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 Alt. 2; BGB § 779

 

Verfahrensgang

ArbG Ulm (Entscheidung vom 18.05.2015; Aktenzeichen 8 Ca 74/15)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der der Klägerin beigeordneten Rechtsanwältin wird die Vergütungsfestsetzung des Arbeitsgerichts Ulm - Kammern Ravensburg - vom 18.05.2015 - 8 Ca 74/15 - dahingehend abgeändert, dass die aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung der im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe der Klägerin im ersten Rechtszug beigeordneten Rechtsanwältin L. auf 1.975,82 € festgesetzt wird.

 

Gründe

I.

Die Beschwerde betrifft die Frage, ob im Rahmen bewilligter Prozesskostenhilfe für einen Vergleichsmehrwert eine 1,5-fache oder eine 1,0-fache Einigungsgebühr sowie eine 0,8-fache Differenzverfahrensgebühr und eine 1,2-fache Terminsgebühr aus der Staatskasse zu erstatten sind.

Im Ausgangsverfahren beantragte die Klägerin für die Klageanträge und einen etwaigen Vergleichsmehrwert Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten. Im Gütetermin schlossen die Parteien nach Erörterung der Sach- und Rechtslage einen Vergleich, der auch nicht rechtshängige Gegenstände regelte. Das Arbeitsgericht entsprach dem Prozesskostenhilfegesuch in vollem Umfang.

Unter Zugrundelegung der gerichtlichen Streitwertfestsetzung beantragte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung in Höhe von 1.975,82 €, die sie folgendermaßen berechnet hat:

1,3 Verfahrensgebühr §§ 2, 49 RVG, Nr. 3100 VV

399,10 Euro

(Wert: 9.177,16 Euro)

0,8 Differenzverfahrensgebühr §§ 2, 49 RVG, Nr. 3101

299,60 Euro

Nr. 2 VV (Wert: 7.822,71 Euro)

- 175,00 Euro

Angleich gem. § 15 II RVG

1,2 Terminsgebühr §§ 2, 49 RVG, Nr. 3104 VV

418,80 Euro

(Wert: 16.999,87 Euro)

1,0 Einigungsgebühr §§ 2, 49 RVG, Nrn. 1003,

307,00 Euro

1000 VV (Wert: 9.177,16 Euro)

1,5 Einigungsgebühr §§ 2, 49 RVG, Nr. 1000 VV

430,50 Euro

(Wert: 7.822,71 Euro)

Fahrtkosten (eigenes KFZ) (12,00 km à 0,30 Euro)

3,60 Euro

Fahrtkosten (sonst)

1,75 Euro

Abwesenheitsgeld (1,25 Stunden

25,00 Euro

Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV

20,00 Euro

Zwischensumme

1.660,35 Euro

Umsatzsteuer (MwSt) Nr. 7008 VV (19,00 %)

315,47 Euro

Endsumme

1.975,82 Euro

Das Arbeitsgericht hat die aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung auf 1.513,50 € festgesetzt. Die Differenz beruht auf der Kürzung der geltend gemachten 1,5-fachen Einigungsgebühr für den Vergleichsmehrwert auf 1,0.

Nach Zurückweisung der gegen die Entscheidung der Urkundsbeamtin eingelegten Erinnerung durch den Vorsitzenden des Arbeitsgerichts verfolgt die Prozessbevollmächtigte der Klägerin ihr Begehren mit der Beschwerde weiter. Dieser hat das Arbeitsgericht nicht abgeholfen, sondern sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist statthaft (§ 56 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG); sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 56 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG) und auch im Übrigen zulässig und begründet. Der Prozessbevollmächtigten der Klägerin steht gegen die Staatskasse nicht nur eine 1,0-fache Einigungsgebühr nach Nr. 1003 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2, 2. Alt. VV RVG, sondern eine 1,5-fache Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG aus dem Vergleichsmehrwert zu (1.). Die 0,8-fache Differenzverfahrensgebühr und die 1,2-fache Terminsgebühr aus dem Vergleichsmehrwert hat das Arbeitsgericht der Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu Recht zugesprochen (2.).

1. 1,5-fache Einigungsgebühr

a) Nach Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 VV RVG entsteht die 1,5-fache Einigungsgebühr für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Nach Nr. 1003 VV RVG betragen die Gebühren nach Nr. 1000 bis 1002 VV RVG 1,0, wenn über den Gegenstand ein ande...

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