Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütungsfestsetzung. Einigungsgebühr bei Mehrvergleich nach Nr. 1000 VV RVG oder nach Nr. 1003 VV RVG
Leitsatz (amtlich)
Die Einigungsgebühr für den Mehrwert eines Vergleichs bemisst sich nicht nach der Nr. 1003 VV RVG (1,0-facher Satz), sondern nach der Nr. 1000 VV RVG (1,5-facher Satz).
Normenkette
BRAGO § 23
Verfahrensgang
ArbG Mannheim (Beschluss vom 28.08.2008; Aktenzeichen 5 Ca 485/07) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird derBeschluss der 5. Kammer des Arbeitsgerichts Mannheim vom28. August 2008 abgeändert:
Auf die Erinnerung der Antragstellerin wird der Vergütungsfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Arbeitsgerichts Mannheim vom 21. Juli 2008 aufgehoben, soweit der Antrag auf die Erinnerung der Staatskasse konkludent zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Urkundsbeamtin angewiesen, den Antrag auf Vergütungsfestsetzung unter Beachtung der diesseitigen Rechtsauffassung neu zu bescheiden.
Tatbestand
I.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle weigert sich im Festsetzungsverfahren nach § 55 RVG, die Einigungsgebühr für einen Mehrvergleich nicht, wie beantragt, nach Nr. 1000 VV RVG festzusetzen. Sie hält im Hinblick auf eine vorgängige Erinnerung der Staatskasse auch in diesem Umfang eine Vergütung lediglich nach Nr. 1003 VV RVG für gerechtfertigt.
Das Arbeitsgericht hat im Ausgangsverfahren zunächst durch Beschluss vom 24. Januar 2008 (Bl. 21 der Akte) dem Kläger des Ausgangsverfahrens, das durch Prozessvergleich vom selben Tag erledigt worden war, rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragsstellung Prozesskostenhilfe bewilligt. Nach Abschluss des Vergleichs hat es die Bewilligung noch im Verhandlungstermin rückwirkend auch auf „einen Vergleichsmehrwert” erstreckt. Entsprechend dem hierauf gestellten Antrag hat die Urkundsbeamtin im Hinblick auf den Mehrvergleich, dessen Wert das Arbeitsgericht durch Beschluss nach § 63 Abs. 2 GKG vom 25. Januar 2008 (Bl. 26 der Akte) auf 2.112,00 EUR festgesetzt hat, eine Gebühr nach Nr. 1000 VV RVG und eine 0,8-Gebühr nach Nr. 3101 VV RVG festgesetzt. Auf die Erinnerung der Staatskasse hat sie durch Beschluss vom 21. Juli 2008 die Einigungsgebühr einheitlich nach Nr. 1003 VV RVG für den gesamten Vergleichswert festgesetzt und den Differenzbetrag von der Antragstellerin zurückgefordert. Sie hat sich insoweit auf die Begründung der Erinnerung der Staatskasse bezogen, die sich ihrerseits auf eine Entscheidung des LAG Hamm vom 31. August 2007 (6 Ta 402/07, NZA-RR 2007, 601 ff.) gestützt hat. Die hiergegen eingelegte Erinnerung hat das Arbeitsgericht im angefochtenen Beschluss zurückgewiesen (Bl. 59 der Akte), in dem es auch die Beschwerde zugelassen hat. Dieser hat es nicht abgeholfen („Verfügung” vom 25. September 2008 – Bl. 72 der Akte) und sie hierher vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II.
Die an sich statthafte und vom Arbeitsgericht zugelassene Beschwerde (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG) ist auch in der Sache gerechtfertigt. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat zu Unrecht auf die Erinnerung der Staatskasse für den vom Arbeitsgericht angenommenen Mehrwert des Vergleichs die Vergütung der Nr. 1003 VV RVG berechnet. Diese Vorschrift findet auf die vorliegende Fallgestaltung keine Anwendung. Die Anmerkung zu Nr. 1003 VV RVG unterscheidet sich, soweit hier von Interesse, von dem früheren § 23 BRAGO durch die klarstellende Vergünstigung, dass auch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ausschließlich für die Protokollierung eines Vergleichs nicht unter die Gebührenreduzierung fällt, die für ein anhängiges Verfahren und ein Prozesskostenhilfeverfahren vorgesehen ist.
Auszugehen ist von den gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen. Diese machen die Gebührenermäßigung nicht davon abhängig, ob über die mitverglichenen nicht rechtshängigen Ansprüche vor Gericht verhandelt wurde oder nicht. Es kommt lediglich darauf an, ob ein gerichtliches oder ein Prozesskostenhilfeverfahren anhängig ist. Diese auch schon im Rahmen des § 23 BRAGO umstrittene Frage hat der Gesetzgeber bei der Neufassung des Gesetzes nicht gelöst. Es verbleibt deshalb weiterhin bei der im diesseitigen Beschluss vom 26. Juli 2001 (4 Ta 33/01 – www.lagbw.de/Ta/4ta3301.htm) vertretenen Auffassung. Dort wurde Folgendes ausgeführt:
Die vorliegende Frage wird in der Rechtsprechung kontrovers diskutiert. Dabei geht die Tendenz der Landesarbeitsgerichte dahin, bei der Erstreckung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe § 23 Abs. 1 Satz 3 BRAGO anzuwenden, während die Oberlandesgerichte eher dazu neigen, das Merkmal der Anhängigkeit für diese Fallgestaltung zu verneinen. Wegen der Rechtsprechungsnachweise wird auf den Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 10. März 1999 (9 Ta 52/99 – JurBüro 1999, 359-360) verwiesen. Auch auf die vom Beschwerdeführer angezogene Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 04. Mai 2000 (9 Ta 32/00 – AnwBl 2000, 692) wird Bezug genommen.
Der dort vertretenen Auffassung kann nicht gefolgt werden. Deshalb ist je...