Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Urteil vom 21.02.1990; Aktenzeichen 22 Ca 4222/89) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 21.02.1990 – 22 Ca 4222/89 – wird unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags vom 25.06.1990 auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.
Tatbestand
Von der Darstellung des Sachverhalts wird in entsprechender Anwendung von § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Berufung hat keinen Erfolg, denn die Beklagte hat die Berufungsfrist nicht eingehalten; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war nicht zu bewilligen.
Das angegriffene Urteil vom 21.02.1990 wurde der Beklagten am 16.05.1990 zugestellt. Die Berufungsfrist von einem Monat (§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) lief, da der 16.06.1990 ein Samstag war, am 18.06.1990 ab (§§ 186, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB, § 222 ZPO). Die Berufungsschrift ging ausweislich des gerichtlichen Eingangsstempels am 19.06.1990, also verspätet, beim Landesarbeitsgericht ein.
Der wegen der Versäumung der Berufungsfrist von der Beklagten gestellte Wiedereinsetzungsantrag ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Wiedereinsetzungsantrag ist zulässig. Die Beklagte hat eine Notfrist versäumt (§§ 233, 516 ZPO). Das angerufene Gericht ist für den Wiedereinsetzungsantrag zuständig (§ 237 ZPO). Die durch § 236 Abs. 1 ZPO für den Wiedereinsetzungsantrag vorgeschriebene Form ist eingehalten. Der Antrag enthält auch gem.
§ 236 Abs. 2 ZPO die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen. Zu diesen Tatsachen gehört allerdings nach wohl allgemeiner Meinung (vgl. z.B. BAG AP Nr. 18 zu § 232 ZPO) auch die Darlegung, daß die Zweiwochenfrist des § 234 Abs. 1 und 2 ZPO eingehalten ist. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall. Das ist jedoch ausnahmsweise ohne Bedeutung, weil aus den Akten zu ersehen ist (Empfangsbekenntnis ABl. 92), daß die Mitteilung über das Datum des Eingangs der Berufungsschrift beim Landesarbeitsgericht dem Beklagtenvertreter am 20.06.1990 zuging und der Wiedereinsetzungsantrag am 27.06.1990 beim Landesarbeitsgericht einging.
Der Wiedereinsetzungsantrag hat jedoch keinen Erfolg. Begründet ist ein solcher Antrag nach § 233 ZPO, wenn weder die Partei noch ihren Prozeßbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) ein Verschulden an der Nichteinhaltung der Frist trifft. Im Wiedereinsetzungsantrag müssen daher die Tatsachen angeführt werden, die zwar ein Fristversäumnis ergeben, jedoch ein Verschulden der Partei bzw. ihres Bevollmächtigten ausschließen. Es müssen alle Umstände vorgetragen werden, die zwischen dem Beginn und dem Ende der versäumten Frist liegen und für die Fristversäumung und für die Schuldlosigkeit bedeutsam sein können (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 48. Auflage, § 236 Anm. 2 m.w.N.)
Diesen Anforderungen genügt der Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten nicht. Diese verweist auf die unvollständige sowie unrichtige Adressierung der Berufungsschrift
„Landesarbeitsgericht Stuttgart
Postfach
7000 Stuttgart 10”,
die –wie in der erstinstanzlichen Rechtsmittelbelehrung zutreffend aufgeführt– hätte lauten müssen
„Landesarbeitsgericht
Baden-Württemberg
Weimarstr. 20
7000 Stuttgart 1”
und führt aus, die Berufung sei am 11.06.1990, also 5 Tage vor Ablauf der Berufungsfrist „übersandt” worden. Bei normalem Lauf der Dinge hätte sich die unrichtige Adressierung nicht ausgewirkt, weil noch genügend Zeit bis zum Ablauf der Berufungsfrist zur Verfügung gestanden hätte.
Dazu ist auszuführen, daß im Berufungsverfahren der Gerichte für Arbeitssachen die Partei das Risiko der Verlängerung von Postlaufzeiten zu tragen hat, wenn die Rechtsmittelbelehrung die zutreffende Gerichtsanschrift aufweist (BAG NJW 1987, 3278). Im vorliegenden Fall hat wohl die unrichtige Adressierung zu einer Verzögerung bei der Postzustellung geführt. Das Kuvert, in dem die Berufungsschrift befördert wurde (ABl. 89) weist nämlich im Sichtfenster Striche auf, mit denen anscheinend der Zusatz „Postfach” ungültig gemacht werden sollte. Hinzugefügt wurde unterhalb des Sichtfensters ferner „Weimarstr. 20”. Richtig ist in diesem Zusammenhang, daß nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (a.a.O. m.w.N.) auf unzureichender Adressierung beruhende Postverzögerungen dann die Wiedereinsetzung begründen, wenn die Verzögerung unverhältnismäßig lang ist und auf dem Mitverschulden eines Dritten beruht, z.B. dem Postbereich zuzurechnen ist. Hierzu fehlen jedoch nähere Angaben der Beklagten. Es ist nicht gerichtsbekannt, welche Verzögerungen üblicherweise eintreten, wenn die Anschrift –wie im vorliegenden Fall– falsch und unzureichend ist. Darüber hinaus wurde im Wiedereinsetzungsantrag nicht vorgetragen, wo und wann der fragliche Brief zur Post gegeben wurde. Es ist daher nicht nachvollziehbar, wann die Berufungsschrift bei ordnungsgemäßer Adressierung voraussichtlich beim Landesarbeitsgericht eingegangen wäre. Dem Briefkuvert kann insoweit nichts entnommen werden. Dieses weist allein den Abdruck des Freistemplers der Prozeßbevollmächtigten der Bekla...