Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Bestimmtheit eines auf mehrere prozessuale Ansprüche gestützten einheitlichen Klagebegehrens. Berücksichtigung von Zuschlägen für Spät- und Nachtarbeit bei der tariflichen Verdienstsicherung im Alter im Geltungsbereich des Manteltarifvertrages der Metall- und Elektroindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden
Leitsatz (amtlich)
1. Stützt ein Kläger sein einheitliches Klagebegehren auf mehrere prozessuale Ansprüche, muss eine Rangfolge der zu prüfenden Streitgegenstände angegeben werden, andernfalls fehlt es an der notwendigen streitgegenständlichen Bestimmtheit iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
2. Mit einer Elementenfeststellungsklage kann auch der Umfang der Leistungspflicht des Arbeitgebers im Rahmen der Alterssicherung (Einbeziehung von Zuschlägen für Spät- und Nachtarbeit) geklärt werden.
3. Für einen Anspruch auf Einbeziehung von Zuschlägen für Spät- und Nachtarbeit in die Verdienstsicherung ab dem 54. Lebensjahr nach § 6.4 Manteltarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden (MTV Metall) kommt es nach § 6.4.1.1 MTV Metall nicht darauf an, dass Spät- und Nachtarbeit (Lage der Arbeitszeit) zu den regelmäßigen Aufgaben des Beschäftigten gehören. Neben den weiteren Voraussetzungen für eine Berücksichtigung von Zuschlägen für Spät- und Nachtarbeit (insb. in § 6.4.1.2 MTV Metall) kommt es allein darauf an, ob dem Beschäftigten solche Arbeiten regelmäßig übertragen sind, die nach dem weiter praktizierten Arbeitszeitmodell des Arbeitgebers nacht- bzw. spätzuschlagspflichtig sind.
Normenkette
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 256 Abs. 1; MTV Metall- und Elektroindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden § 6.4
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 15.10.2019; Aktenzeichen 27 Ca 358/18) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Aalen - vom 15. Oktober 2019 - 27 Ca 358/18 - abgeändert:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den für den Kläger nach § 6.7 MTV Metall festzuschreibenden Alterssicherungsbetrag ab dem 1. Mai 2018 nach § 6.6 MTV Metall unter Berücksichtigung von im Zeitraum 1. Mai 2017 bis 30. April 2018 erzielten Zuschlägen für Spät- und Nachtarbeit neu zu berechnen.
- Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
- Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, Zuschläge für Spät- und Nachtarbeit bei der Berechnung der dem Kläger zustehenden tariflichen Verdienstsicherung im Alter berücksichtigen zu müssen.
Die Beklagte ist ein Unternehmen der Metallindustrie und Mitglied im Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e.V. (Südwestmetall). Der am 00.00.0000 geborene Kläger trat zum 15. Juni 1998 in ein Arbeitsverhältnis zur Beklagten "als Einrichter" ein. Seit 1. Juni 1999 wird der Kläger als Anlagenmechaniker in der Abteilung Metallurgie beschäftigt und ist zuletzt in die Entgeltgruppe 09 des Entgeltrahmen-Tarifvertrags für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg (ERA-TV) eingruppiert. Der schriftliche Arbeitsvertrag vom 12. Mai 1998 bestimmt ua. das Folgende:
"...
§ 3
Arbeitszeit
(1) Die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 35,0 Stunden. Die Firma ist berechtigt, die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit zu verändern. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen sowie Änderungen sind aus den Aushängen zu ersehen.
(2) Der Mitarbeiter ist verpflichtet, seine Tätigkeit auszuüben in
Normalschicht und Schichtarbeit
(3) Bei dringenden betrieblichen Erfordernissen ist der Mitarbeiter verpflichtet, im Rahmen der gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen Mehrarbeit zu leisten.
§ 4
Entlohnung
(1) ...
...
(6) Zuschläge für Mehr-, Spät-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit werden in der Höhe des jeweils geltenden Manteltarifvertrags gezahlt.
...
§ 10
Anderweitige Bestimmungen, Änderungen und Ergänzungen
(1) ...
...
(4) Im Übrigen gelten für das Arbeitsverhältnis die gesetzlichen Bestimmungen, die jeweiligen Tarifverträge (auch nachwirkende) für die Metallindustrie Nordwürttemberg und Nordbaden, die Arbeitsordnung der Firma sowie die jeweiligen Betriebsvereinbarungen.
(5) ...
..."
Seit Beginn des Arbeitsverhältnisses wurde der Kläger in Schichtarbeit beschäftigt und erzielte Zuschläge insb. für Spät- und Nachtarbeit. Am 9. Juli 2014 erlitt der Kläger einen Arbeitsunfall und war bis 21. September 2014 arbeitsunfähig erkrankt. Ab dem 22. September 2014 setzte die Beklagte den Kläger zunächst ausschließlich in der Normalschicht ein. Seit dem 1. Februar 2016 ist der Kläger einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt (Anlage K2, Bl. 10 d. Akte).
Am 26. Januar 2017 führte der Vorgesetzte des Klägers, Herr B., mit dem Kläger ein Personalgespräch mit dem Ziel, den Kläger für eine Elternzeitvertretung zu gewinnen. Der zu vertretende Arbeitnehmer, Herr N., arbeitete im Schichtbetrieb...