Entscheidungsstichwort (Thema)
außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung im öffentlichen Dienst wegen Mitgliedschaft bzw. Unterstützung einer verfassungsfeindlichen Partei. Weiterbeschäftigung während des laufenden Prozesses, wenn nach Kündigungsausspruch weitere Aktivitäten für die verfassungsfeindliche Partei stattfinden, die erhebliche Zweifel an der Verfassungstreue begründen
Leitsatz (amtlich)
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht kann die politische Betätigung für eine verfassungsfeindliche Partei als Grund für eine Kündigung in Betracht kommen, wenn der Beschäftigte im öffentlichen Dienst unter Berücksichtigung seiner konkreten Funktion und der staatlichen Aufgabenstellung des Arbeitgebers nicht mehr als geeignet für seine Tätigkeit angesehen werden kann. Die Mitgliedschaft und Aktivitäten für eine verfassungsfeindliche Partei begründen allerdings nur Zweifel an der Eignung des Beschäftigten. Voraussetzung für eine Kündigung ist, dass das Arbeitsverhältnis durch die politischen Aktivitäten konkret beeinträchtigt wird. Im Entscheidungsfall reichten die vom Arbeitgeber vorgetragenen Umstände nicht aus, um die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung eines in einem Druck- und Versandzentrum einer Oberfinanzdirektion beschäftigten Arbeitnehmers zu rechtfertigen. Zu einer Weiterbeschäftigung des Beschäftigten während des laufenden Kündungsschutzprozesses ist der Arbeitgeber hingegen nicht verpflichtet, wenn nach Ausspruch der Kündigung weitere Aktivitäten für die verfassungsfeindliche Partei stattfinden, die erhebliche Zweifel an der Verfassungstreue begründen.
Normenkette
BGB § 626; KSchG § 1
Verfahrensgang
ArbG Karlsruhe (Urteil vom 30.10.2008; Aktenzeichen 8 Ca 142/08) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 30.10.2008 – 8 Ca 142/08 abgeändert:
- Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 08.05.2008 nicht aufgelöst wurde.
- Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
II. Die Berufung des beklagten Landes wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Verfahrens trägt der Kläger 1/4, das beklagte Land trägt insoweit 3/4.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer vom beklagten Land mit Schreiben vom 08.05.2008 ausgesprochenen außerordentlichen/fristlosen – hilfsweise ordentlich und fristgerecht zum 30.06.2008 erklärten – Kündigung des Arbeitsverhältnisses sowie darüber, ob das beklagte Land zur Anfechtung des Arbeitsvertrages berechtigt war. Schließlich macht der Kläger seine vorläufige Weiterbeschäftigung geltend.
Der am … 1982 geborene Kläger ist seit dem 01.08.2003 beim beklagten Land im Bereich der Oberfinanzdirektion als Verwaltungsangestellter beschäftigt. Zugrunde liegen schriftliche Arbeitsverträge vom 01.08.2003 sowie vom 04.11.2004, denen zufolge die Geltung des BAT und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifbestimmungen in der für das Land B. jeweils geltenden Fassung vereinbart war (vgl. Vor.A. Bl. 12 bis 15). Die übertragenen Tätigkeiten entsprachen gem. schriftlichem Arbeitsvertrag vom 04.11.2004 der Vergütungsgruppe VI b BAT. Der Kläger wurde auf dieser Grundlage in den Bereich des TV-L vom 12.10.2006 übergeleitet.
Die zuletzt – seit Anfang 2004 – vom Kläger ausgeübte Tätigkeit im Druck- und Versandzentrum der Oberfinanzdirektion K. besteht überwiegend aus der Produktionsplanung, -steuerung und -überwachung (vgl. hierzu im Einzelnen Arbeitszeugnis vom 21.11.2007, Vor.A. Bl. 55). In dem genannten Druckzentrum werden sämtliche im Zuständigkeitsbereich der Oberfinanzdirektion anfallenden Bescheide und Schreiben, etwa Steuerbescheide, Beihilfebescheide, Lohn- und Gehaltsabrechnungen, LOK-Bescheide) mittels elektronisch gesteuerter Druckabläufe zum Druck entgegengenommen und entsprechend erstellt.
Der Kläger war vor Begründung des Arbeitsverhältnisses der Parteien im Zeitraum vom 01.09.2001 bis 31.07.2002 im Rahmen eines befristeten Arbeitsverhältnisses als Verwaltungsangestellter beim Landratsamt K. beschäftigt. Der Kläger wurde deshalb nicht in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen, weil seitens des Landratsamtes Kenntnis über eine Betätigung des Klägers für die NPD erlangt worden war.
Unter dem 17.07.2003 wurde der Kläger gem. schriftlicher Belehrung auf seine politischen Treuepflichtungen aus § 8 BAT hingewiesen, wonach auch der Angestellte sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten habe.
Anschließend an die formularmäßige Belehrung folgt die vom Kläger unterschriebene Erklärung, die u. a. lautet: „Auf Grund dieser Belehrung erkläre ich hiermit ausdrücklich, dass ich die vorstehenden Grundsätze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bejahe und dass i...