Entscheidungsstichwort (Thema)
Abfindung der in der Insolvenz erdienten Ruhegeldanwartschaft durch den Insolvenzverwalter
Leitsatz (amtlich)
1. Die Betriebstätigkeit wird vollständig eingestellt i. S. des § 3 Abs. 4 BetrAVG, wenn die Gemeinschuldnerin die Verfolgung des Betriebszwecks endgültig aufgibt.
2. Die Fortführung des Betriebes oder von Betriebsteilen im Wege des Betriebsübergangs gem. § 613 a BGB steht dem Abfindungsrecht des Insolvenzverwalters gem. § 3 Abs. 4 BetrAVG nicht entgegen.
3. Auf das Abfindungsrecht des Insolvenzverwalters findet die Bagatellgenze des § 3 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG keine Anwendung.
4. § 262 findet auf das Abfindungsrecht des Insolvenzverwalters keine Anwendung. Diesem steht eine Ersetzungsbefugnis zu.
Normenkette
BetrAVG § 3 Abs. 4; BGB § 613a
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg vom 22.08.2006 – 3 Ca 102/06 abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über das Recht des Beklagten zur Abfindung der im Laufe des Insolvenzverfahrens entstandenen Betriebsrentenansprüche des Klägers.
Der am 00.00.1943 geborene Kläger war seit 01.01.1987 bei der Firma P. GmbH u. Co. KG als Einkaufsleiter beschäftigt. Sein monatlicher Verdienst betrug zuletzt 9.458,00 EUR brutto.
Die Firma P. GmbH u. Co. KG sagte dem Kläger eine betriebliche Altersversorgung in Form der monatlichen Zahlung einer Betriebsrente zu (Ruhegeld-Sonderzusage AS 8 f d. Vorakten).
Mit Beschluss vom 01.10.2002 eröffnete das Amtsgericht Freiburg das Insolvenzverfahren über das Vermögen der P. GmbH u. Co. KG und bestellte den Beklagten zum Insolvenzverwalter. Der Beklagte führte den Betrieb fort. Mit Wirkung zum 01.01.2005 verkaufte er das Anlagevermögen der P. GmbH u. Co. KG an die P Holding GmbH. Der Betrieb wird von der Fa. P. GmbH fortgeführt, die auch einen Großteil der Arbeitnehmer beschäftigt.
Zwischen seiner Einstellung im Jahr 1987 und Eröffnung des Insolvenzverfahrens erdiente der Kläger eine Betriebsrentenanwartschaft in Höhe von monatlich 1.821,40 EUR. Während der Zeit der Insolvenz erdiente der Kläger eine weitere Betriebsrentenanwartschaft in der monatlichen Rentenhöhe von 314,51 EUR (Berechnungsbogen AS 10 d. Vorakten).
Der Kläger schied zum 31.12.2004 aus dem Arbeitsverhältnis mit der Insolvenzschuldnerin aus und wechselte in eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft.
Mit Schreiben vom 18.01.2006 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass sein während der Zeit der Insolvenz erdienter monatlicher Rentenanspruch in Höhe von 314,51 EUR mit einem Einmalbetrag in Höhe von 22.432,49 EUR netto abgefunden werde. Diesem Schreiben lag ein auf den Namen des Klägers ausgestellter Scheck in Höhe des obengenannten Betrages bei. Mit Schreiben vom 01.02.2006 teilte der Kläger mit, dass er eine einmalige Abfindung nicht akzeptiere. Der Scheck wurde auf das Rechtsanwaltsanderkonto des Klägervertreters eingelöst unter Erklärung, dass damit keine Annahme der Abfindung des während der Insolvenz erdienten Betriebsrentenanspruchs verbunden sei. Der Kläger bezieht seit 01.02.2006 aufgrund am 18.05.2006 gestellten Antrags vorgezogene Altersrente.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Abfindung der Anwartschaft verstoße gegen das Abfindungsverbot des § 3 Abs. 1 BetrAVG. Die Ausnahmeregelung des § 3 Abs. 4 BetrAVG sei nicht einschlägig. Zum Einen liege eine vollständige Einstellung der Betriebstätigkeit nicht vor, da der Betrieb der Insolvenzschuldnerin auf einen Erwerber übergegangen sei. Darüber hinaus beschränke § 3 Abs. 4 das Abfindungsrecht des Insolvenzverwalters auf Anwartschaften geringen Umfangs. Im Übrigen habe der Insolvenzverwalter sein Formenwahlrecht bereits ausgeübt, da er, wie sich aus dem Schreiben vom 18.01.2006 (Bl. 12 d. Vorakten) ergebe kommuniziert habe, dass eine Übertragung der betrieblichen Rentenansprüche auf ein Versicherungsunternehmen beabsichtigt sei. Darüber hinaus habe Herr W., der Leiter des Bereichs Personalwesen der P. GmbH & Co. KG anlässlich eines Telefonats am 10.05.2005 dem Kläger die monatliche Auszahlung zugesagt. Im Vertrauen auf monatliche Zuzahlung der Betriebsrente habe der Kläger vorzeitige Altersrente beantragt. Im Übrigen sei die Abfindung der Höhe nach falsch kalkuliert worden.
Der Kläger hat beantragt:
- Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger monatlich jeweils zum Monatsletzten EUR 314,51 zu zahlen, erstmals zum 31.07.2006.
- Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 1.572,55 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils EUR 314,51 seit dem 01.03.2006, 01.04.2006, 01.05.2006 und 01.07.2006 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt:
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, § 3 Abs. 4 BetrAVG verfolge den Zweck, die zügige Abwicklung des Insolvenzverfahrens zu ermöglichen. Der Abschluss eines Insolvenzv...