Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergleichszeitraum

 

Leitsatz (redaktionell)

Ist die Vereinbarung über den Vergleichszeitraum unwirksam, so hat sich dieser allein nach dem Manteltarifvertrag für Beschäftigte in der Metallindustrie Nord-Württemberg/Nord-Baden zu bestimmen. § 6.9 MTV enthält nicht selbst einen Vergleichszeitraum, verlangt aber dessen Festlegung. Dabei besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Fehlt es an einer Festlegung, kann diese nach § 315 Abs. 3 BGB vom Gericht vorgenommen werden. Nachdem der Manteltarifvertrag keinen anderen Bestimmungsmaßstab festlegt, hat die Bestimmung nach billigem Ermessen zu erfolgen (§ 315 Abs. 1 BGB). Hierbei sind die Vorgaben des Manteltarifvertrags zu beachten. Insoweit ergibt sich, dass die Tarifvertragsparteien davon ausgegangen sind, der Vergleichszeitraum dürfte einschließlich des Vergleichsmonats drei Monate nicht übersteigen (§ 6.9 Abs. 3 S. 1 MTV).

 

Normenkette

TVG § 1; Manteltarifvertrag für Beschäftigte in der Metallindustrie Nord-Württemberg/Nord-Baden § 6

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Urteil vom 26.01.2002; Aktenzeichen 25 Ca 7688/99)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 15.09.2004; Aktenzeichen 4 AZR 416/03)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom26.01.2002, Az.: 25 Ca 7688/99, teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 998,45 DM (510,50 EUR) nebst 4 % Zinsen hieraus seit 21.09.99 zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 19/20, die Beklagte 1/20.

Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob und in welcher Höhe dem Kläger Verdienstsicherung nach § 6 des Manteltarifvertrages für Beschäftigte der Metallindustrie in Nord-Württemberg/Nord-Baden (im Folgenden: MTV) im Zeitraum August 1989 bis einschließlich September 1999 zustand.

Für den erstinstanzlichen Sachvortrag der Parteien wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts vom 26.07.02 (Bl. 247 ff. d. Akte) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, etwaige Ansprüche des Klägers für den Zeitraum August 1989 bis September 1998 seien nach § 18.1.2 MTV verfallen; für den Zeitraum Oktober 1998 bis einschließlich Mai 1999 habe der tatsächlich erzielte Verdienst des Klägers seinen Alterssicherungsbetrag nach § 6.3.4 MTV übertroffen. Als Referenzzeitraum sei gemäß § 6.2 MTV das Jahr vor dem 54. Lebensjahr des Klägers anzusetzen, somit die Zeit vom 01.08.1988 bis 31.07.1989. Der Kläger sei Reisender im Sinne des § 6.3.4 MTV in Verbindung mit § 15 MTV. Als Betrieb im Sinne des § 15.1. MTV sei nicht etwa die Niederlassung … oder … sondern die damalige Vertragspartnerin des Klägers, die … AG (Vertriebsorganisation Inland) mit Sitz in … anzusehen. Die Beklagte sei durch den Betriebsteilübergang am 23.02.95 nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB in die Verpflichtungen der … AG eingetreten. Unabhängig davon, ob eine (wirksame) Betriebsvereinbarung über die Dauer und Lage des Vergleichszeitraums vorliege oder nicht, sei im Falle des Klägers ein Vergleichszeitraum von 12 Monaten anzunehmen. § 6.9 Satz 2 MTV verlange zwingend die Festlegung eines Vergleichszeitraums, für die § 6.9 Abs. 3 MTV ein Mitbestimmungsrecht eröffne. Lege der Arbeitgeber entgegen dieser Bestimmung keinen Vergleichszeitraum fest, so erfolge dies nach § 315 Abs. 3 BGB durch das Gericht. Der Vergleichszeitraum habe sich am Geschäftsjahr zu orientieren. Im Hinblick auf die erheblichen Schwankungen der Provisionseinkünfte der Omnibusbeauftragten sei es angemessen, den in § 6.9 Abs. 3 MTV vorgegebenen Rahmen von 12 Monaten voll auszuschöpfen. Für die Durchführung des Verdienstausgleichs sei deshalb die durchschnittliche Vergütung der vorangegangenen 12 Monate einschließlich des Auszahlungsmonats mit dem Alterssicherungsbetrag zu vergleichen. Ausgehend von einem Alterssicherungsbetrag von 6.457,15 DM (3.301,49 EUR) ergebe sich kein Zahlungsanspruch. Der Kläger habe auch keinen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte im Hinblick auf die fehlende Mitteilung des Alterssicherungsbetrages. Schließlich hindere die Verletzung der Auslegungspflicht nach § 8 TVG den Lauf der Ausschlussfrist nach § 18 MTV nicht.

Das Urteil ist dem Klägervertreter am 31.07.02 zugestellt worden.

Mit seiner am 09.08.01 eingelegten und zugleich begründeten Berufung macht der Kläger geltend, seine Ansprüche seien auch nicht teilweise verfallen. Die Beklagte sei auch ohne Aufforderung zur Festschreibung des Alterssicherungsbetrages und zur schriftlichen Unterrichtung des Klägers hierüber verpflichtet gewesen. Er habe seine Ansprüche erst berechnen können, wenn ihm der Alterssicherungsbetrag bekannt sei. Auch habe die Beklagte nicht darauf vertrauen können, er mache keine Ansprüche mehr geltend, solange sie ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen sei. Die Berufung der Beklagten auf die tarifliche Ausschlussfrist sei damit treuwidrig. Jedenfalls schulde die Beklagte die entsprechen...

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