Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristung in einem Altersteilzeitvertrag. Vorzeitige Inanspruchnahme von Rentenleistungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Verträge sind gem. §§ 133, 157 BGB so auszulegen, wie Treu und Glauben es mit Rücksicht auf die Verkehrssitte erfordern. Dabei ist bei der Auslegung der dem Vertragsschluss zugrunde liegenden maßgeblichen Willenserklärungen der wirkliche Wille der Parteien zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste.
2. Aus § 8 Abs. 3 ATZG kann sich der sachliche Rechtfertigungsgrund für die Befristung des Arbeitsverhältnisses in einem Altersteilzeitvertrag ergeben, denn nach dieser Vorschrift ist eine Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber über die Altersteilzeit, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, in dem der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Rente nach Altersteilzeit hat, zulässig.
Normenkette
ATZG § 8 Abs. 3; BGB §§ 133, 157
Verfahrensgang
ArbG Heilbronn (Urteil vom 07.02.2003; Aktenzeichen 6 Ca 702/02) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 07.02.2003 – Az.: 6 Ca 702/02 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Von einer ausführlichen Darstellung des Prozessstoffes wird im Hinblick auf § 69 Abs. 2 und 3 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) abgesehen, nachdem die Revision gegen dieses Urteil nicht zugelassen worden ist. Stattdessen wird auf den Inhalt der angefochtenen arbeitsgerichtlichen Entscheidung verwiesen.
Die Parteien streiten auch im zweiten Rechtszug weiter über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf einer nachträglichen in einem Altersteilzeitvertrag der Parteien enthaltenen Befristung zum 31.12.2002.
Die Klägerin hat zuletzt in erster Instanz beantragt:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch Befristung noch aus einem anderen Grunde zum 31.12.2002 endet, sondern über den 31.12.2002 hinaus fortbesteht.
Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit seinem, den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 14.02.2003 zugestellten Urteil vom 07.02.2003 kostenpflichtig abgewiesen. Es hat eine Verletzung des – nicht für allgemeinverbindlich erklärten – Tarifvertrages zur Förderung der Altersteilzeit vom 01.04.1999 (kurz: TV ATZ) im Tarifbereich des Einzelhandels Baden-Württemberg nicht geprüft, weil dieser Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung gefunden habe, und im Übrigen einen Verstoß gegen das allgemeine Gebot, dass eine arbeitsvertragliche Befristung grundsätzlich durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sein müsse, verneint. Nach § 1 Abs. 4 des bis zum 31.12.2000 geltenden Beschäftigungsförderungsgesetzes (BeschFG) in Verbindung mit § 8 Abs. 3 Altersteilzeitgesetz (ATZG) sei eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Altersteilzeitarbeit, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsehe, in dem der Arbeitnehmer eine Rente nach Altersteilzeit hat, zulässig gewesen. Die gesetzliche Formulierung im § 8 Abs. 3 ATZG („Rente nach Altersteilzeit”) erfasse auch den Fall, dass lediglich ein geminderter Rentenanspruch bestehe. Dass diese Bestimmung sowohl die Rente nach Altersteilzeit bei Erreichen der jeweiligen Altersgrenze als auch die vorzeitige Inanspruchnahme mit entsprechender Rentenminderung umfasse, werde durch die Systematik des ATZG gestützt, denn in § 5 Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 2 ATZG sei eine Differenzierung ausdrücklich vorgenommen worden.
Hiergegen wendet sich die am 14.03.2002 per Telefaxschriftsatz eingereichte und mit Schriftsatz vom 10.04.2003 (LAG-ABl. 10 – 12) ausgeführte Berufung der Klägerin. Hieraus und aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 15.05.2003 (LAG-ABl. 16 – 20) erschließt sich der Vortrag der Parteien im zweiten Rechtszug. Darauf wird Bezug genommen.
Die Klägerin führt gegen das angefochtene Urteil im Wesentlichen an, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht die Prüfung unterlassen, ob die in § 9 ATZ-Vertrag vom 08.06.1999 vereinbarte Befristung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2002 gegen § 5 TV ATZ verstoßen habe. Die Parteien hätten einzelvertraglich alle tarifvertraglichen Bestimmungen für die Angestellten des Einzelhandels in Baden-Württemberg in Bezug genommen. Das folge schon aus dem Wortlaut des Vertragstextes. Bei Anwendung des TV ATZ sei aber die im ATZ-Vertrag vereinbarte Befristung unwirksam, weil nach § 5 TV ATZ ein vereinbartes Altersteilzeitarbeitsverhältnis erst mit Ablauf des Kalendermonats vor dem Kalendermonat ende, für den der Arbeitnehmer eine Rente wegen Alters beanspruchen könne. Die für sie, die Klägerin, maßgebliche Rentenaltersgrenze gemäß § 36 SGB VI sei die Vollendung des 62. Lebensjahres, so dass die Vereinbarung ein...