Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifauslegung. Einmalzahlung. Anrechnung von Einmalzahlungen auf Tariflohnerhöhungen

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Voraussetzung einer anrechenbaren Tariflohnerhöhung ist bei sog. Einmalzahlungen gegeben, wenn eine pauschalierte, auf einzelne Abrechnungszeiträume bezogene Erhöhung des Tarifentgelts – häufig für z. T. bereits abgerechnete Kalendermonate – vorliegt.

 

Normenkette

TV-BSW § 2 Abs. 1; BETV § 5 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Karlsruhe (Urteil vom 20.07.2005; Aktenzeichen 5 Ca 201/05)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 04.07.2007; Aktenzeichen 4 AZR 551/06)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 20.07.2005 – Az.: 5 Ca 201/05 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf eine tarifliche Einmalzahlung hat, bzw. ob diese zu 75 % auf seine bisherige Vergütung angerechnet werden kann.

Der Kläger, der langjähriges Mitglied der Gewerkschaft v. ist, arbeitet seit 1986 bei der Beklagten als Kraftfahrer. Die Beklagte ist ein Entsorgungsunternehmen der U., deren Muttergesellschaft die U. ist. Die Beklagte ist seit 01.01.2005 Mitglied des Bundesverbandes der Deutschen Energiewirtschaft e.V. (BDE). Bis 2004 galten bei der Beklagten die von der U. mit der Gewerkschaft v. abgeschlossenen Haustarifverträge, zuletzt der Manteltarifvertrag vom 15.04.2002 (ABl. 39-50 d. Vorakte), gekündigt zum 31.12.2004 und für die gewerblichen Mitarbeiter der Vergütungstarifvertrag Nr. 2 vom 15.01.2003 (ABl. 51-56 d. Vorakte), gekündigt zum 30.04.2004. Aufgrund des zum 30.04.2004 gekündigten Entgelttarifvertrages war der Kläger in Vergütungsgruppe 7 mit einem Stundenlohn von EUR 12,93 eingruppiert. Nach dem mit der Gewerkschaft v. abgeschlossenen Bundesentgelttarifvertrag des Bundesverbandes der Deutschen Energiewirtschaft BETV(BDE) alt, war der Kläger in Vergütungsgruppe 6 bei einem Stundenlohn von EUR 12,36 einzugruppieren. Die Eingruppierung wurde mit Wirkung zum 01.01.2005 vorgenommen.

Mit Rücksicht auf dieses unterschiedliche Vergütungsniveau zwischen dem bis 2004 geltenden Haustarifvertrag und dem BETV(BDE) schlossen die U. und v. mit Wirkung vom 01.05.2004 einen Tarifvertrag zur Besitzstandswahrung (TV-BSW) ab (vgl. ABl. 76-79 d. Vorakte), wonach die ursprünglichen Tabellenvergütungen und Tabellenlöhne der Haustarifverträge maßgeblich bleiben, so lange sie die Löhne und Vergütungen des BETV(BDE) übersteigen (§ 2 Abs. 1). Unter § 2 Abs. 2 dieses Tarifvertrages heißt es „künftige tarifliche Erhöhungen von Löhnen und Vergütungen des BETV(BDE) können auf der Basis der einzelnen Arbeitsstunde zu 75 % so lange angerechnet werden, bis die jeweils geltenden Löhne und Vergütungen des BETV(BDE) erreicht sind.

Mit Wirkung zum 01.09.2004 wurde von BDE und v. ein neuer Entgelttarifvertrag, der ab 01.01.2005 eine prozentuale Erhöhung der Monats- und Stundenvergütung vorsah, abgeschlossen. Für die Zeit von September bis Dezember 2004 wurde als Ausgleich für die „Nullmonate” eine Pauschalzahlung von EUR 200,00 brutto, auszahlbar im Februar 2005 vorgesehen (§ 5 BETV(BDE)). Die Beklagte hat in Anlehnung an § 2 Abs. 2 TV-BSW 25 % der Pauschalzahlung, also EUR 50,00 an den Kläger ausgezahlt.

Der Kläger ist der Auffassung, er habe Anspruch auf die volle Einmalzahlung von EUR 200,00. Er sei erst zum 01.01.2005 in Vergütungsgruppe des BETV eingruppiert worden. Für die Zeit von September bis Dezember 2004 habe daher keine Tariflohndifferenz bestanden.

Der Kläger hat beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 150,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 01.03.2005 zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, der BETV(BDE) neu finde für die Zeit vor dem 01.01.2005 mangels Verbandszugehörigkeit der Beklagten keine Anwendung. Auch stelle die Pauschalzahlung eine Vergütungserhöhung dar, die auf die Monate September bis Dezember 2004 herunterzurechnen sei. Für diesen Zeitraum falle somit in der für den Kläger einschlägigen Vergütungsgruppe 6 ein Stundenlohn von EUR 12,65 an. Die tatsächliche Vergütung des Klägers liege mit EUR 12,93 darüber, weshalb eine Anrechnung in Höhe von 75 % zu erfolgen habe. Einer förmlichen Feststellung der zutreffenden Vergütungsgruppe nach dem BETV bedürfe es für den Vergleich der Vergütungshöhen nicht.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Offen gelassen wurde, ob der BETV(BDE) bereits für den Zeitraum von September bis Dezember 2004 anzuwenden war. Der geltend gemachte Anspruch des Klägers bestehe ohnedies nicht. Die formale Feststellung der zutreffenden Vergütungsgruppe sei für einen Vergleich zwischen bisheriger Vergütung und der Vergütung nach dem BETV(BDE) nicht erforderlich. Es stehe fest, dass die Tätigkeit des Klägers in Vergütungsgruppe 6 anzusiedeln sei. Zur näheren Sachdarstellung wird das Urteil vom 20.07.2005 in Bezug genommen. De...

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