Entscheidungsstichwort (Thema)
Verdeckte Arbeitnehmerüberlassung im Rahmen tarifvertraglicher Regelungen zur Leiharbeit in der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg. Unbegründete Klage auf Abschluss eines Arbeitsvertrages bei Tätigkeit im Rahmen eines Scheinwerkvertrages
Leitsatz (amtlich)
1. Die vom Bundesarbeitsgericht in seinen Urteilen vom 10. Dezember 2013 (9 AZR 51/13) und 3. Juni 2014 (9 AZR 111/13) zur nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung aufgestellten Grundsätze sind auf die Fälle verdeckter Arbeitnehmerüberlassung übertragbar (so bereits LAG Baden-Württemberg 18. Dezember 2014 - 3 Sa 33/14 -).
2. Nach derzeitiger Rechtslage kann auch bei verdeckt praktizierter Arbeitnehmerüberlassung das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Entleiher, der im Besitz einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis ist, und dem verdeckt überlassenen Leiharbeitnehmer weder in direkter oder analoger Anwendung der §§ 9 Nr. 1, 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG noch über die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) - gleich in welcher Ausprägung - angenommen werden (entgegen LAG Baden-Württemberg 3. Dezember 2014 - 4 Sa 41/14 -).
3. Bewirkt der Entleiher die Ablösung eines Leiharbeitnehmers, um zu verhindern, dass dieser die 24-monatige Beschäftigungszeit iSd. Ziff. 4.1 zweiter Spiegelstrich des zwischen dem Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e. V. und der IG Metall geschlossenen Tarifvertrags Leih-/Zeitarbeit (TV Leiz) vollendet, so führt dies ohne Vorliegen weiterer Umstände, die das Vorgehen des Entleihers treuwidrig erscheinen lassen, nicht in analoger Anwendung des § 162 BGB zu einem Anspruch des Leiharbeitnehmers auf Abgabe eines Arbeitsvertragsangebots nach Ziff. 4.1 zweiter Spiegelstrich TV Leiz.
Normenkette
AÜG § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1 S. 1; BGB §§ 142, 162, 611 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 10.09.2014; Aktenzeichen 19 Ca 8665/13) |
Tenor
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 10. September 2014 - 19 Ca 8665/13 - wird zurückgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
- Für den Kläger wird die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Frage, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht. Hilfsweise verlangt der Kläger von der Beklagten, ihm den Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages anzubieten.
Der 1965 geborene, verheiratete und zwei Kindern unterhaltsverpflichtete Kläger, der Mitglied der IG Metall ist, war seit dem 1. Juli 2000 im Betrieb der Beklagten, die Omnibusse herstellt und vertreibt und Mitglied im Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e. V. (Südwestmetall) ist, als Ingenieur eingesetzt. Er gehörte dem Bereich Konstruktion Raumausstattung von Omnibussen an und war je nach Arbeitsanfall dem Team N. mit dem Teamleiter U. oder dem Team N. mit dem Teamleiter Z. zugeordnet.
Für den Zeitraum vom 1. Juli 2000 bis 28. Februar 2009 hatte der Kläger mit der Firma F. einen Arbeitsvertrag abgeschlossen, im Zeitraum vom 1. März 2009 bis 15. Oktober 2013 mit der R. und ab dem 16. Oktober 2013 mit der K. (im Folgenden: K.; Arbeitsvertrag nebst Ergänzungen vom 11. September 2013, Bl. 12 bis 22 der ArbG-Akte). Diese drei Unternehmen sind und waren im Besitz einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. Mit Schreiben der K. vom 15. Januar 2014 (Bl. 314 der ArbG-Akte) wurde der Kläger, der zuletzt eine Bruttomonatsvergütung von 5.500,00 € erzielte, zum Projektkoordinator bestellt.
Am 20. Mai 2012 trat ein zwischen dem Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e. V. und der IG Metall geschlossener Tarifvertrag Leih-/Zeitarbeit (künftig: TV Leiz) in Kraft, der folgende Bestimmungen enthält:
"1. Geltungsbereich
Es gilt der Geltungsbereich der Manteltarifverträge für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden, Südwürttemberg-Hohenzollern und Südbaden.
...
4. Betriebe ohne Betriebsvereinbarung
4.1 Besteht keine Betriebsvereinbarung gem. Ziff. 3, gilt Folgendes:
- Nach 18 Monaten Überlassung* hat der Entleiher zu prüfen, ob er dem
Leih-/Zeitarbeitnehmer einen unbefristeten Arbeitsvertrag anbieten kann.
- Nach 24 Monaten Überlassung* hat der Entleiher dem Leih-/Zeitarbeitnehmer einen unbefristeten Arbeitsvertrag anzubieten. Dieses kann nach Beratung mit dem Betriebsrat bei akuten Beschäftigungsproblemen entfallen.
Bei Unterbrechungen von weniger als 3 Monaten werden Einsatzzeiten im selben Betrieb addiert.
* Beschäftigungszeiten nach den obigen Spiegelstrichen zählen ab dem Inkrafttreten des Tarifvertrages, unabhängig vom tatsächlichen Einsatztermin vor Inkrafttreten des Tarifvertrages."
Im Werk der Beklagten existiert keine Betriebsvereinbarung gem. Ziff. 3 TV Leiz.
Der Kläger war bis zum 14. Mai 2014 im Betrieb der Beklagten tätig. Ab dem 15. Mai 2014 gewährte die K. dem Kläger Urlaub. Er ist seither nicht mehr in den Betrieb der Beklagten zurückgekehrt. Die bisher vom Kläger erledigten Tätigkei...