Entscheidungsstichwort (Thema)
Unbegründeter Feststellungsantrag zum Bestand eines Arbeitsverhältnisses mit der Entleiherin bei tariflicher Prüfpflicht nach länger andauerndem Arbeitseinsatz
Leitsatz (amtlich)
1. Die vom Bundesarbeitsgericht zur nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung in seinen Urteilen vom 10. Dezember 2013 (9 AZR 51/13) und 3. Juni 2014 (9 AZR 111/13) aufgestellten Grundsätze sind auf die Fälle verdeckter Arbeitnehmerüberlassung übertragbar. Dies gilt auch, wenn die Arbeitnehmerüberlassung im Rahmen eines Scheinwerkvertrags erfolgt.
2. Der Prüfpflicht nach Ziff. 4.1 erster Spiegelstrich des zwischen dem Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e. V. und der IG Metall geschlossenen Tarifvertrags Leih-/Zeitarbeit kommt ausschließlich verfahrensrechtliche Bedeutung zu. Materielle Vorgaben für die Prüfung enthält die Bestimmung nicht.
Normenkette
AÜG § 1 Abs. 1 S. 1, § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1 S. 1; BGB § 242; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 12.03.2014; Aktenzeichen 19 Ca 7077/13) |
Tenor
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 12. März 2014 - 19 Ca 7077/13 - wird zurückgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Frage, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist. Hilfsweise verlangt der Kläger die Prüfung, ob die Beklagte ihm einen Arbeitsplatz anbieten kann.
Der am 0.0.1969 geborene, verheiratete und zwei Kindern unterhaltsverpflichtete Kläger war seit dem 1. Januar 2009 bei der M. T. GmbH, die zirka 3.300 Arbeitnehmer weltweit beschäftigt und seit 27. Oktober 2005 über eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verfügt, auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 5. Dezember 2008 (Bl. 11-15 d. ArbG-Akte) als Versuchstechniker tätig. Die M. T. GmbH, die im November 2009 in M. G. GmbH & Co. KG a. A. (künftig: M.) umfirmierte, setzte den Kläger im Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2012 im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung bei der Beklagten in deren Betrieb in N. im Bereich Entwicklung, dort in der Betreuung Brennstoffzellen-Versuchsfahrzeuge, als Monteur ein.
Am 20. Mai 2012 trat ein zwischen dem Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e.V. und der IG Metall geschlossener Tarifvertrag Leih-/Zeitarbeit (künftig: TV LeiZ) in Kraft, der folgende Bestimmungen enthält:
"1. Geltungsbereich
Es gilt der Geltungsbereich der Manteltarifverträge für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden, Südwürttemberg-Hohenzollern und Südbaden.
............
4. Betriebe ohne Betriebsvereinbarung
4.1 Besteht keine Betriebsvereinbarung gemäß Ziffer 3, gilt folgendes:
- Nach 18 Monaten Überlassung* hat der Entleiher zu prüfen, ob er dem Leih-/Zeitarbeitnehmer einen unbefristeten Arbeitsvertrag anbieten kann.
- Nach 24 Monaten Überlassung* hat der Entleiher dem Leih-/Zeitarbeitnehmer einen unbefristeten Arbeitsvertrag anzubieten. Dieses kann nach Beratung mit dem Betriebsrat bei akuten Beschäftigungsproblemen entfallen.
- Bei Unterbrechungen von weniger als 3 Monaten werden Einsatzzeiten im selben Betrieb addiert.
* Beschäftigungszeiten nach den obigen Spiegelstrichen zählen ab dem Inkrafttreten des Tarifvertrages, unabhängig vom tatsächlichen Einsatztermin vor Inkrafttreten des Tarifvertrages."
Zum 1. Januar 2013 schloss die Beklagte mit der M. mehrere von den Vertragsparteien als Werkverträge bezeichnete Vereinbarungen, worin die M. sich verpflichtete, bestimmte Werkstattleistungen für die Beklagte zu erbringen und in deren Rahmen der Kläger und mit ihm bis zu vier weitere Beschäftigte der M. weiterhin im Bereich Brennstoffzellen-Versuchsfahrzeuge eingesetzt wurden. Ab 1. Oktober 2013 stellte die M. den Kläger von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung frei.
Mit seiner am 8. Oktober 2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger vorgetragen: Er sei seit dem 1. Januar 2009 am gleichen Arbeitsplatz tätig und erhalte seine Anweisungen ausschließlich vom Werkstattmeister L.. Der von ihm verwendete PC samt Software und das gesamte Werkzeug seien ihm von der Beklagten zur Verfügung gestellt worden. Er sei völlig in den Betrieb der Beklagten integriert. Wegen der Einzelheiten des diesbezüglichen Klägervortrags wird auf Bl. 96-118 d. ArbG-Akte Bezug genommen. Da die Beklagte zum 1. Januar 2013 auf einen Scheinwerkvertrag "umgestellt" habe, sei eine Arbeitnehmerüberlassung des Klägers im Wege einer AÜG-Konformität überhaupt nicht mehr gewollt gewesen. Soweit man sich jetzt auf eine Arbeitnehmerüberlassungsmöglichkeit berufe, handle es sich um einen institutionellen Rechtsmissbrauch. Das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses lasse sich auch damit begründen, dass die vertragliche Beziehung zwischen der Beklagten und der M. jedenfalls seit dem Jahr 2013 wegen mangelnder Schriftform (§ 12 Abs. 1 AÜG) unwirksam sei. Diese Unwirksamkeit schlage auch auf ...