Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Eigenkündigung einer Arbeitnehmerin wegen eines Konfliktes am Arbeitsplatz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ist eine Arbeitnehmerin auf Grund eines Konfliktes am Arbeitsplatz dauerhaft erkrankt und gilt für sie eine längere Kündigungsfrist, stellt die dauerhafte Erkrankung an sich einen wichtigen Grund dar, eine außerordentliche Eigenkündigung auszusprechen.

2. Ob sich der Arbeitsplatzkonflikt auf Grund eines vertragsgemäßen Verhaltens oder auf Grund eines vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers entwickelt hat, ist in diesem Zusammenhang unerheblich.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Mannheim (Entscheidung vom 04.01.2016; Aktenzeichen 11 Ca 97/15)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 22.03.2018; Aktenzeichen 8 AZR 190/17)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 04. Januar 2016 (11 Ca 97/15) wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
  2. In Bezug auf die Widerklage wird die Revision zugelassen. Darüber hinaus wird sie nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von der Beklagten, ihr drei offene Urlaubstage mit 93,86 Euro brutto abzugelten. Im Wege der Widerklage fordert die Beklagte von der Klägerin, eine Vertragsstrafe in Höhe von 680,00 Euro zu zahlen.

Zwischen den Parteien bestand vom 1. Juni 1999 bis zum 6. April 2015 ein Arbeitsverhältnis. Die Klägerin arbeitete als hauswirtschaftliche Helferin in einem Seniorenzentrum, das von der Beklagten betrieben wird. Die monatliche Arbeitszeit betrug 80 Stunden, der Stundenlohn 8,50 Euro brutto. Der maßgebliche Arbeitsvertrag der Parteien vom 25. Juni 2004 (AV) enthielt u.a folgende Regelungen:

"§ 12 Urlaub

I. Der Urlaubsanspruch beträgt bei einer 5-Tage-Woche für: ...

b) Beschäftigte, nach vollendetem 18. Lebensjahr

...

ab dem 3. Beschäftigungsjahr 30 Arbeitstage.

III. Bei begründeter außerordentlicher Kündigung - ausgenommen wegen anhaltender Krankheit - oder bei vertragswidriger Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer hat dieser nur Anspruch auf den gesetzlichen Jahres- bzw. Teiljahresurlaub.

§ 14 Vertragsstrafe

I. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, an den Arbeitgeber eine Vertragsstrafe in Höhe von einem Bruttomonatslohn zu zahlen, wenn er das Arbeitsverhältnis vertragswidrig, insbesondere ohne Einhaltung der Fristen beendet, aufgrund eines schuldhaften Vertragsverstoßes berechtigt fristlos entlassen wird oder seinen Dienst nicht antritt.

II. ...

§ 16 Kündigung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses

I. ...

II. Das Arbeitsverhältnis kann, unbeschadet des Rechts zur fristlosen Kündigung, mit einer Kündigungsfrist von vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden. Die Verlängerung der Kündigungsfrist richtet sich nach den gesetzlichen Bestimmungen. Solche Verlängerungen der Kündigungsfrist hat auch der Arbeitnehmer bei Kündigungen gegenüber dem Arbeitgeber einzuhalten.

..."

Am Freitag, dem 6. Februar fand die Klägerin zwei Abmahnungsschreiben der Beklagten von 5. Februar in ihrem Briefkasten vor. Es handelte sich um die ersten Abmahnungen, die die Beklagte gegenüber der Klägerin aussprach. In dem einen Abmahnungsschreiben hielt die Beklagte der Klägerin vor, eine Pause, die sie während ihres Dienstes am 12. Januar 2015 von 9.10 bis 9.30 Uhr gemacht habe, auf ihrer Anwesenheitsliste nicht eingetragen zu haben. In dem anderen Abmahnungsschreiben wurde der Klägerin vorgehalten, sie sei am 13. Januar bis 13.00 Uhr zum Dienst eingeteilt gewesen. Bereits um 12.15 Uhr habe sie mitgeteilt, sie sei mit ihrer Arbeit fertig. Dennoch habe sie auf der Anwesenheitsliste als Dienstende 13.00 Uhr angegeben.

Vom 7. bis 14. Februar arbeitete die Klägerin. Sie versuchte erfolglos, mit dem Betriebsleiter über die beiden Abmahnungen zu sprechen. Am 16. und 17. Februar hatte die Klägerin Urlaub. Für den Zeitraum 19. Februar bis 6. April legte die Klägerin der Beklagten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von Dr. B., Fachärztin für Allgemeinmedizin, vor. Am 13. März bescheinigte Dr. B. der Klägerin eine voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit bis 28. März; am 19. März stellte sie ihr eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis 6. April aus. Dr. B. diagnostizierte eine Neurasthenie und "Kontaktanlässe mit Bezug auf das Berufungsleben".

Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 25. Februar nahm die Klägerin zu den beiden Abmahnungen Stellung und forderte die Beklagte auf, diese bis 10. März aus ihrer Personalakte zu entfernen. Am 11. März telefonierte der Mitarbeiter der Rechtsabteilung der Beklagten I. mit der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin. Die Klägerin fragte bei der Mitarbeiterin der Personalabteilung S. telefonisch nach, ob das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet werden könne. Auf die am 18. März per E-Mail versandte Nachfrage von S., zu welchem Zeitpunkt sie das Arbeitsverhältnis beenden wolle, antwortete die Klägerin mit E-Mail vom 19. März, zum 6. April 2015. Die angestrebte Aufhebungsvereinbarung der Parteien kam nicht zu Sta...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge