Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit von Vertragsstrafenabreden in Formulararbeitsverträgen. Vertragsstrafe. Herabsetzung. Besonderheiten des Arbeitsrechts. Formulararbeitsvertrag
Leitsatz (amtlich)
1. Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe in Formulararbeitsverträgen für den Fall des Nichtantritts eines Arbeitsverhältnisses ist unwirksam. Jedenfalls für diesen Fall stehen dem Vertragsstrafenverbot des § 309 Nr. 6 BGB keine im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten i. S. d. § 310 IV Nr. 2 BGB entgegen.
2. Abgesehen davon benachteiligt eine Vertragsstrafe von einem Monatsgehalt für den Fall des Nichtantritts eines Arbeitsverhältnisses bei vereinbarter Probezeit mit 14-tägiger Kündigungsfrist unangemessen i. S. d. § 307 I BGB.
3. Die Herabsetzung einer i. S. d. § 307 I BGB überhöhten Vertragsstrafe nach § 343 BGB ist auch im Arbeitsvertragsrecht seit 1.1.2002 nicht mehr möglich.
Normenkette
BGB § 309 Nr. 6, § 310 IV 2, § 307 I, § 343
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg – Kammern Villingen-Schwenningen – vom 16.01.2003, Az.: 13 Ca 302/02, abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Vertragsstrafenvereinbarung.
Am 29.05.2002 schlossen die Parteien einen Arbeitsvertrag, wonach der Beklagte ab 1.09.2002 als Maschinenbautechniker/Konstrukteur für die Klägerin arbeiten sollte. Vereinbart wurde ein Monatsgehalt von 3.000,00 EUR brutto, darüber hinaus enthielt der Vertrag unter anderem folgende Regelungen:
”§ 1 Beginn und Dauer des Arbeitsverhältnisses
…
(3) Die ersten 6 Monate der Dauer des Arbeitsverhältnisses gelten als Probezeit. Während der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von 2 Wochen gekündigt werden.
§ 9 Vertragsstrafenklausel
Der/die Arbeitnehmer/in hat eine Vertragsstrafe in Höhe eines Bruttomonatsgehaltes zu zahlen, wenn er/sie
- das Anstellungsverhältnis nicht antritt oder
- seine/ihre Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung dauerhaft verweigert, ohne dass ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB vorliegt oder
- die Arbeitgeberin durch schuldhaft vertragswidriges Verhalten zur fristlosen Kündigung des Anstellungsverhältnisses gemäß § 626 BGB veranlaßt.
Die Geltendmachung weiterer Schadensersatzansprüche bleibt hiervon jeweils unberührt.”
Mit Schreiben vom 27.08.2002 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass er seine Anstellung nicht antreten werde und dies vorsorglich auch als Kündigung zu betrachten sei. Zu einer Arbeitsaufnahme kam es in der Folgezeit nicht.
Mit Schreiben vom 15.10.2002 forderte die Klägerin den Beklagten zur Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe in Höhe von 3.000,00 EUR bis 30.10.2002 auf, mit Schreiben vom 31.10.2002 ließ der Beklagte den Anspruch dem Grunde und der Höhe nach zurückweisen.
Die Klägerin hat den Vertragsstrafenanspruch beim Arbeitsgericht Freiburg gerichtlich geltend gemacht und die Auffassung vertreten, auch nach der Schuldrechtsreform könne eine Vertragsstrafe im Arbeitsvertrag formularmäßig vereinbart werden.
Sie hat b e a n t r a g t :
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Vertragsstrafe in Höhe von 3.000,00 EUR nebst 5 % Zinsen aus diesem Betrag über dem Basiszinssatz seit 31.10.2002 zu zahlen.
Der Beklagte hat
Klagabweisung, hilfsweise Herabsetzung der Vertragsstrafe beantragt.
Dabei hat er die Rechtsmeinung vertreten, nach Einfügung der neuen §§ 305 bis 310 in das Bürgerliche Gesetzbuch sei wegen der Vorschrift des § 309 Ziffer 6 BGB die Vereinbarung einer Vertragsstrafe im Formulararbeitsvertrag unzulässig, dem stünden auch im Arbeitsrecht geltende Besonderheiten im Sinne des § 310 Abs. 4 BGB nicht entgegen. Im Übrigen sei die vereinbarte Vertragsstrafe unangemessen hoch, einer Herabsetzung stehe das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion entgegen. Schließlich behauptet der Beklagte, ein Schaden habe der Klägerin ohnehin nicht gedroht, weil er, hätte er die Arbeit angetreten, zunächst zwei Wochen lang an einer CAD-Schulung hätte teilnehmen müssen, dies aber hätte zu höheren Kosten für die Klägerin geführt als sein Fernbleiben von der Arbeit.
Wegen weiterer Einzelheiten des Parteienvorbringens erster Instanz wird auf die dortigen Schriftsätze der Parteien verwiesen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und den Beklagten verurteilt, der Klägerin 1.500,00 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Es hat dabei die Auffassung vertreten, Vertragsstrafenversprechen wie dasjenige in § 9 des Arbeitsvertrages zwischen den Parteien könnten auch nach der Schuldrechtsreform in einem vorformulierten Arbeitsvertrag eingegangen werden. Zwar widerspreche die Klausel § 309 Nr. 6 BGB, einer Anwendung dieser Vorschrift stünden aber die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten e...