Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit der Kündigung des Referatsleiters für Personalangelegenheiten. Fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Erziehers in einem Kinderheim wegen nicht akzeptabler Einstellung zu Gewalt als Mittel zur Austragung von Konflikten
Leitsatz (amtlich)
1. Im öffentlichen Dienst ist die Leitung des Referats für Personalangelegenheiten bzw. des Fachbereichs Personal in der Regel mit der Kündigungsbefugnis verbunden.
2. Ein Arbeitgeber setzt einen Arbeitnehmer ausreichend über die Person des Kündigungsberechtigten in Kenntnis, wenn er den Arbeitnehmer auffordert, sich über die Organisationsstruktur im Intranet zu informieren, und sich daraus ergibt, wer die mit der Vertretungsmacht verbundene Funktion bekleidet.
3. Einem Arbeitnehmer, dessen Verhalten Anlass für die Annahme bietet, dass er gewaltbereit ist bzw. Gewalt - auch zur Austragung von Konfliken - akzeptiert, kann die persönliche Eignung als Erzieher fehlen.
Normenkette
BGB §§ 174, 180, 626; KSchG § 1; ArbGG § 67
Verfahrensgang
ArbG Mannheim (Entscheidung vom 19.05.2015; Aktenzeichen 7 Ca 254/14) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 19. Mai 2015 - 7 Ca 254/14 - teilweise abgeändert:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der beklagten S vom 23. Mai 2014 nicht mit Ablauf des 23. Mai 2014 aufgelöst worden ist.
- Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
- Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 2/3, die beklagte S 1/3.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, fristlosen sowie einer ordentlichen Kündigung der beklagten S. In der Berufungsverhandlung hat der Kläger zudem einen Auflösungsantrag für den Fall gestellt, dass er mit der Kündigungsschutzklage obsiegt.
Der 1989 geborene und ledige Kläger war seit September 2010 bei der beklagten S als Erzieher im Kinderhaus F- in M im Kinderhort und damit zur Betreuung der Schulkinder im Alter zwischen sechs und vierzehn Jahren beschäftigt. Die Ausbildung zum Erzieher hat er an einer Fachschule für Sozialpädagogik in W1 absolviert (vgl. Zeugnis vom 15. Juli 2009, Anlage K 2 zum Schriftsatz des Klägers vom 2. Februar 2016, Bl. 113 der Berufungsakte). Grundlage des Arbeitsverhältnisses war der schriftliche Arbeitsvertrag vom 19. August 2010 (Anlage B 1, Bl. 29 f. der erstinstanzlichen Akte). Darin ist der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) und der Besondere Teil Verwaltung sowie die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für den Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände jeweils geltenden Fassung in Bezug genommen. Dem Kläger wurde der Arbeitsvertrag mit Schreiben vom 19. August 2010 (Anlage B 16, Bl. 176 f. der erstinstanzlichen Akte) übersandt. Dieses lautet auszugsweise:
"Um Ihnen den Einstieg - der bestimmt viel Neues und Unbekanntes mit sich bringt - zu erleichtern, möchte wir darauf hinweisen, dass Sie an Ihrem Arbeitsplatz oder über Ihre Personalstelle im Intranet unter der Rubrik:
1. Personal
vielfältige Informationen zu wichtigen Themen wie, z.B. Arbeitszeit oder Entgelt und soziale Leistungen finden.
2. Organisation
einen Überblick erhalten über die Organisationsstruktur der S. M, die zu den größten Arbeitgebern der europäischen Metropolregion Rhein-Neckar zählt."
Zuletzt verdiente der Kläger 2.812,08 Euro brutto monatlich. Die beklagte S beschäftigt mehr als zehn Arbeitnehmer iSd. § 23 Abs. 1 Satz 4 KSchG. Ein Personalrat ist errichtet.
Zum Zeitpunkt der Kündigung waren im Kinderhaus 114 Kinder zu betreuen, 64 Kinder davon im Hort. Die Hort-Kinder werden teilweise schon vor Schulbeginn morgens beaufsichtigt. Nach Schulschluss nehmen sie zunächst in der Gruppe ihr Mittagessen ein, danach findet die Hausaufgabenbetreuung statt. Anschließend können die Kinder unter Aufsicht spielen und/oder sich ins Freigelände begeben. Die Gruppengröße während des Mittagessens und der Hausaufgabenbetreuung beläuft sich im Regelfall auf elf Kinder. Während seiner Arbeit betreute der Kläger die ihm jeweils zugewiesene Gruppe während des Mittagessens und der Hausaufgaben alleine. Darüber hinaus hatte er eine sogenannte "Bezugsgruppe", die sich einmal wöchentlich für ca. eine halbe Stunde traf.
Mit E-Mail von 6. Mai 2014 (Anlage B 3, Bl. 32 bis 34 der erstinstanzlichen Akte) forderte die "AG Antifaschistischer Kommunalwahlkampf" die fristlose Kündigung des Klägers, ein Stadionverbot, den Ausschluss vom Training der "T" sowie den Ausschluss aus der Gewerkschaft ver.di. In der E-Mail wird die Behauptung aufgestellt, der Kläger sei Anhänger der NPD und Hooligan in der Fanszene des SV W .. Die E-Mail wurde nicht nur an die beklagte S gesandt, sondern an zahlreiche weitere Personen des öffentlichen Lebens sowie an verschiedene Zeitungen. Die beklagte S stellte daraufhin Recherchen an und stellte dabei Folgendes fest:
Auf einem Video war der Kläger als Teilnehmer einer NPD-Kundgeb...