Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Urteil vom 12.03.1992; Aktenzeichen 7 Ca 5710/91) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 12.03.1992 – 7 Ca 5710/91 – wird zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin bezahlten Freizeitausgleich für die Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung zu gewähren hat.
Die Klägerin ist Vertrauensfrau der Schwerbehinderten im … Betrieb der Beklagten. Sie ist Teilzeitbeschäftigte mit einer Arbeitszeit von 4,5 Stunden täglich; die betriebsübliche Arbeitszeit beträgt 7,4 Stunden täglich.
Die Klägerin besuchte von Montag, dem 15.04.1991 bis Samstag, dem 20.04.1991 ein ganztägiges Einführungsseminar für Schwerbehindertenvertretungen und deren Steil Vertreter in …. Während der Teilnahme an dem Seminar erhielt die Klägerin von der Beklagten das Arbeitsentgelt fortgezahlt. Hingegen lehnte es die Beklagte ab, für die Differenz zwischen der vereinbarten Teilzeit und der betriebsüblichen Arbeitszeit, also für 14,5 Stunden (37 Stunden abzüglich 22,5 Stunden) Freizeitausgleich zu gewähren.
Die Klägerin ist der Auffassung, daß sie gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf bezahlten Freizeitausgleich habe in Höhe der Differenz zwischen ihrer individuellen, durch die Schulungsteilnahme ausgefallenen und von der Beklagten vergüteten Arbeitszeit und der betrieblichen Arbeitszeit. Zur Begründung hat die Klägerin im ersten Rechtszug im wesentlichen geltend gemacht, ihr Anspruch folge bereits aus § 26 Abs. 6 SchwbG. Sofern man nicht § 26 Abs. 6 SchwbG, sondern § 26 Abs. 4 SchwbG für einschlägig halte, werde die Klägerin als Teilzeitbeschäftigte gegenüber Vollzeitbeschäftigten benachteiligt. Darin liege eine ungerechtfertigte mittelbare Frauendiskriminierung. § 26 Abs. 4 SchwbG benachteilige mehr Frauen als Männer. Über den Anteil teilzeitbeschäftigter Schwerbehindertenvertrauensfrauen liege zwar statistisches Zahlenmaterial nicht vor. Teilzeitarbeit sei aber typische Frauenarbeit und es liege der Frauenanteil bei allen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern bei über 90%. Eine Untersuchung der IG-Metall Verwaltungsstelle … habe ferner ergeben, daß in deren Zuständigkeitsbereich von 14 teilzeitbeschäftigten IGM-Betriebsratsmitgliedern 13 Frauen seien. Mit diesen Zahlen habe die Klägerin die Vermutung einer mittelbaren Diskriminierung glaubhaft gemacht, und es gehe gemäß § 611 a Abs. 1 BGB die Beweislast dafür, daß die geschlechtsspezifischen Daten nicht repräsentativ seien, auf die Beklagte über. Die infolge der mittelbaren Frauendiskriminierung festzustellende Regelungslücke sei durch entsprechende Anwendung des § 26 Abs. 6 SchwbG zu schliessen.
Die Klägerin hat im ersten Rechtszug beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, aus Anlaß der Teilnahme des „Einführungsseminars für Schwerbehindertenvertretungen und deren Stellvertreter aus Betrieben und Verwaltungen” vom 15. bis 20.04.1991 in der Klägerin für weitere 14,5 Stunden Freizeitausgleich zu gewähren,
- festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin auch bei mehrtägigen Tätigkeiten als Vertrauensfrau der Schwerbehinderten, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen sind, unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts Arbeitsbefreiung bis zur Dauer der regelmäßigen täglichen Vollarbeitszeit zu gewähren.
Die Beklagte hat zur Begründung ihres im ersten Rechtszug auf Klagabweisung gerichteten Antrags im wesentlichen geltend gemacht, bei der Schulungsteilnahme handle es sich nicht um eine aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit zu verrichtende Tätigkeit im Sinne des § 26 Abs. 6 SchwbG. Auch eine mittelbare Frauendiskriminierung liege nicht vor. Das in § 26 Abs. 4 Satz 2 SchwbG normierte Lohnausfallprinzip sei geschlechtsneutral. Im übrigen sei zu beachten, daß Schwerbehindertenvertrauensleute ein unentgeltliches Ehrenamt ausübten.
Das Arbeitsgericht hat mit am 12.03.1992 verkündeten Urteil, auf dessen Tatbestand (ABl. 48–51) zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes im ersten Rechtszug verwiesen wird, den für zulässig erachteten Leistungsantrag als unbegründet abgewiesen. Es hat hierbei entscheidend darauf abgestellt, daß schon das tatsächliche Vorbringen der Klägerin nicht ausreiche, um eine unmittelbare Frauendiskriminierung feststellen zu können. Zum einen fehle es bereits an einem hinreichenden Tatsachenvortrag zur Frage, ob § 26 Abs. 4 Satz 2 SchwbG spezifisch die Gruppe der Teilzeitbeschäftigten von der Gewährung des Freizeitausgleichs ausschließe. Immerhin seien auch vollzeitbeschäftigte Vertrauenspersonen durch das Lohnausfallprinzip nachteilig betroffen, wenn sie z.B. an einem arbeitsfreien Tag auf Schulung seien oder diese länger als die betriebliche Arbeitszeit dauere. Desweiteren habe die Klägerin auch nicht hinreichend vorgetragen, daß von § 26 Abs. 4 Satz 2 SchwbG wesentlich mehr Frauen als Männer nachteilig betroffen seien. Darüber, ob sich die Frauenquote von 90% bei sämt...