Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Änderungskündigung. Gehaltsreduzierung nach Umstrukturierung eines Einzelhandelsunternehmens. Unternehmerentscheidung. Änderungsangebot

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei einer betriebsbedingten Änderungskündigung ist das Änderungsangebot des Arbeitgebers daran zu messen, ob dringende betriebliche Erfordernisse gem. § 1 Abs. 2 KSchG das Änderungsangebot bedingen und ob der Arbeitgeber sich bei einem an sich anerkennenswerten Anlass zur Änderungskündigung darauf beschränkt hat, nur solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss.

2. Bietet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nach betrieblichen Umstrukturierungsmaßnahmen eine gleichwertige Tätigkeit zu einem geringeren Gehalt an, so kann er sich nicht allein darauf berufen, einen neuen Arbeitsplatz geschaffen zu haben, den er aufgrund seiner unternehmerischen Freiheit neu dotieren dürfe. Für das Vertragsverhältnis der Parteien ist nicht entscheidend, ob der nunmehr verfügbare Arbeitsplatz neu ist, maßgeblich ist vielmehr die Gleichwertigkeit gegenüber der bisherigen Tätigkeit.

 

Normenkette

KSchG §§ 2, 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Mannheim (Urteil vom 10.10.2003; Aktenzeichen 10 Ca 288/03)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 23.06.2005; Aktenzeichen 2 AZR 7/05)

 

Tenor

I.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim/HD vom 10.10.2003 – 10 Ca 288/03 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

II.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer von der Beklagten mit Schreiben vom 19.04.2003 ausgesprochenen Änderungskündigung, die zum 31.05.2003 wirksam werden soll.

Die Beklagte ist ein Einzelhandelsunternehmen, welches bundesweit Handel mit Unterhaltungselektronik, sogenannter weißer Ware, Computern sowie Artikeln der Tele- und Bürokommunikation, Foto u. dgl. betreibt und zu diesem Zweck mehr als 90 Verkaufsfilialen errichtet hat.

Die Klägerin, geboren am 03.04.1962, ist seit dem 09.11.1998 bei der Beklagten – bzw. ihrer Rechtsvorgängerin –, in der Filiale St. L.-R. als Kassiererin beschäftigt. Vereinbart war die Geltung der für den Einzelhandel in Baden-Württemberg abgeschlossenen Tarifverträge.

Die Klägerin arbeitete in Teilzeit mit 30 Wochenstunden. Bei Kündigungsausspruch erhielt die Klägerin EUR 1.527,31 brutto als Monatsentgelt, was dem Entgelt einer Vollzeitkraft in Beschäftigungsgruppe II/6 entspricht.

Mit Schreiben vom 19.04.2003, welchem ein Entwurf für einen geänderten Arbeitsvertrag (vgl. i. E Vor Abl. 10 ff) beigefügt war, sprach die Beklagte die in Streit stehende, auf betriebliche Gründe gestützte Kündigung zum 31.05.2003 aus. Das der Klägerin unterbreitete Änderungsangebot sieht u. a. eine Vergütung i. H. von monatlich EUR 1.237,50 brutto vor.

Hintergrund der in Streit stehenden Änderungkündigung ist eine von der Beklagten bundesweit initiierte Umgestaltung ihrer Verkaufsfilialen. Diese sollten vom Facheinzelhandel in reine Abverkaufsstellen umfunktioniert werden. Dem Kunden sollte ein – überdies deutlich reduziertes – Warensortiment zum Kauf ohne fachliche Beratung angeboten werden. Dieses Konzept sah in personeller Hinsicht vor, dass eine Verkaufsfiliale nur noch mit einem Marktleiter und einer (reduzierten) Anzahl von nachgeordneten Kräften besetzt sein sollte. Letztere sollten sämtliche anfallenden Funktionen im Bereich der Kassentätigkeit, der Pflege und des Nachfüllens der Ware, der Entgegennahme von Reklamationen sowie der Lagertätigkeit wahrnehmen. Zum Zwecke der Durchsetzung dieses Konzepts hatte die Beklagte mit dem jeweils zuständigen Betriebsrat, so auch mit dem für die Filiale St. L.-R. zuständigen Betriebsrat, einen Interessenausgleich abgeschlossen (vgl. Vereinbarung vom 13.02.2003, Vor Abl. 19 ff).

Die Klägerin hat das ihr gemachte Änderungsangebot unter Vorbehalt angenommen. Sie hat bereits beim Arbeitsgericht die Sozialwidrigkeit der Kündigung vom 19.04.2003 geltend gemacht. U. a. hat die Klägerin vorgetragen, dass es entgegen der Behauptung der Beklagten nicht zu einer Umsetzung des neuen unternehmerischen Konzeptes gekommen sei. Die Klägerin sei nach der Änderungskündigung weiterhin als Kassiererin eingesetzt worden. Auch hat die Klägerin die getroffene Sozialauswahl beanstandet und die Betriebsratsanhörung als fehlerhaft gerügt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Kündigung der Beklagten vom 19.04.2003 rechtsunwirksam ist. Das Arbeitsgericht hat zunächst einen Verstoß gegen § 102 BetrVG angenommen. Außerdem liege kein ausreichender Kündigungsgrund vor. Dem Vorbringen der Beklagten lasse sich nicht entnehmen, dass der Arbeitsplatz der Klägerin als teilzeitbeschäftigte Kassiererin in Wegfall geraten sei. Zur näheren Sachdarstellung wird auf das arbeitsgerichtliche Urteil vom 10.10.2003 Bezug genommen.

Die Beklagte macht mit der Berufung unverändert geltend, dass sie eine rechtswirksame Änderungskündigung ausgesprochen habe...

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