Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Änderungskündigung. Gehaltsreduzierung nach Umstrukturierung eines Einzelhandelsunternehmens. Unternehmerentscheidung. Änderungsangebot
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei einer betriebsbedingten Änderungskündigung ist das Änderungsangebot des Arbeitgebers daran zu messen, ob dringende betriebliche Erfordernisse gem. § 1 Abs. 2 KSchG das Änderungsangebot bedingen und ob der Arbeitgeber sich bei einem an sich anerkennenswerten Anlass zur Änderungskündigung darauf beschränkt hat, nur solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss.
2. Bietet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nach betrieblichen Umstrukturierungsmaßnahmen eine gleichwertige Tätigkeit zu einem geringeren Gehalt an, so kann er sich nicht allein darauf berufen, einen neuen Arbeitsplatz geschaffen zu haben, den er aufgrund seiner unternehmerischen Freiheit neu dotieren dürfe. Für das Vertragsverhältnis der Parteien ist nicht entscheidend, ob der nunmehr verfügbare Arbeitsplatz neu ist, maßgeblich ist vielmehr die Gleichwertigkeit gegenüber der bisherigen Tätigkeit.
Normenkette
KSchG §§ 2, 1 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Mannheim (Urteil vom 27.10.2003; Aktenzeichen 10 Ca 312/03) |
Nachgehend
Tenor
I.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim/HD vom 27.10.2003 – 10 Ca 312/03 – teilweise abgeändert:
Der Beschäftigungsantrag des Klägers wird zurückgewiesen.
II.
Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
III.
Von den Kosten des Verfahrens trägt der Kläger 1/5, die Beklagte insoweit 4/5.
IV.
Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer von der Beklagten mit Schreiben vom 19.04.2003 ausgesprochenen Änderungskündigung, die zum 30.11.2003 wirksam werden soll.
Die Beklagte ist ein Einzelhandelsunternehmen, welches bundesweit Handel mit Unterhaltungselektronik, sogenannter weißer Ware, Computern sowie Artikeln der Tele- und Bürokommunikation, Foto u. dgl. betreibt und zu diesem Zweck mehr als 90 Verkaufsfilialen errichtet hat.
Der Kläger, geboren am 12.11.1963, ist seit dem 01.08.1982 bei der Beklagten – bzw. ihrer Rechtsvorgängerin – in der Filiale H. – P. beschäftigt. Der Kläger war tätig als Radiofachverkäufer und bezog zuletzt eine Vergütung, die dem Entgelt nach Beschäftigungsgruppe III/6 des fachlich einschlägigen Tarifvertrages über die Gehälter, Löhne, Ausbildungsvergütungen und Sozialzulagen im Einzelhandel in Baden-Württemberg entsprach. Dies waren bei Kündigungsausspruch EUR 2.156,00 brutto monatlich. Es existiert ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 24.03.1987, der nähere Einzelheiten des Arbeitsverhältnisses regelt (vgl. Vor.A. Bl. 54 ff.).
Mit Schreiben vom 19.04.2003, welchem ein Entwurf für einen geänderten Arbeitsvertrag beigefügt war, sprach die Beklagte die in Streit stehende, auf betriebliche Gründe gestützte Kündigung zum 31.10.2003 aus. Das dem Kläger unterbreitete Änderungsangebot betrifft eine Tätigkeit als „Verkäufer mit Kassentätigkeit” bei einem Monatsentgelt i. H. von EUR 1.650,00 brutto.
Hintergrund der in Streit stehenden Änderungkündigung ist eine von der Beklagten bundesweit initiierte Umgestaltung ihrer Verkaufsfilialen. Diese sollten vom Facheinzelhandel in reine Abverkaufsstellen umfunktioniert werden. Dem Kunden sollte ein – überdies deutlich reduziertes – Warensortiment zum Kauf ohne fachliche Beratung angeboten werden. Dieses Konzept sah in personeller Hinsicht vor, dass eine Verkaufsfiliale nur noch mit einem Marktleiter und einer (reduzierten) Anzahl von nachgeordneten Kräften besetzt sein sollte. Letztere sollten sämtliche anfallenden Funktionen im Bereich der Kassentätigkeit, der Pflege und des Nachfüllens der Ware, der Entgegennahme von Reklamationen sowie der Lagertätigkeit wahrnehmen. Zum Zwecke der Durchsetzung dieses Konzepts hatte die Beklagte mit dem jeweils zuständigen Betriebsrat, so auch mit dem für die Filiale H. – P. zuständigen Betriebsrat, einen Interessenausgleich abgeschlossen (vgl. Vereinbarung vom 13.02.2003, Vor Abl. 8 ff). Im Markt H. – P. sollten neben dem Marktleiter 12 Mitarbeiter zu den neuen Bedingungen eingesetzt werden.
Das dem Kläger gemachte Änderungsangebot entspricht demjenigen, welches, nach Maßgabe der mit dem Betriebsrat getroffenen Vereinbarung vom 13.02.2003, sämtlichen zum Verbleib als „Verkäufer/in mit Kassentätigkeit” in einer umzugestaltenden Filiale vorgesehenen Arbeitnehmern unterbreitet worden ist.
Der Kläger hat dieses Änderungsangebot nicht, auch nicht unter Vorbehalt, angenommen. Er hat bereits beim Arbeitsgericht im Wesentlichen die Sozialwidrigkeit der Änderungskündigung geltend gemacht. Der Kläger behauptet, er habe jedenfalls innerhalb des Unternehmens, in einer anderen Filiale, als Fachverkäufer mit seinem bisherigen Anforderungsprofil weiterbeschäftigt werden können. Auch habe die Beklagte dem Kläger ein nicht akzeptables Änderungsangebot gemac...