Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Änderungskündigung. Gehaltsreduzierung nach Umstrukturierung eines Einzelhandelsunternehmens. Unternehmerentscheidung. Änderungsangebot

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei einer betriebsbedingten Änderungskündigung ist das Änderungsangebot des Arbeitgebers daran zu messen, ob dringende betriebliche Erfordernisse gem. § 1 Abs. 2 KSchG das Änderungsangebot bedingen und ob der Arbeitgeber sich bei einem an sich anerkennenswerten Anlass zur Änderungskündigung darauf beschränkt hat, nur solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss.

2. Bietet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nach betrieblichen Umstrukturierungsmaßnahmen eine gleichwertige Tätigkeit zu einem geringeren Gehalt an, so kann er sich nicht allein darauf berufen, einen neuen Arbeitsplatz geschaffen zu haben, den er aufgrund seiner unternehmerischen Freiheit neu dotieren dürfe. Für das Vertragsverhältnis der Parteien ist nicht entscheidend, ob der nunmehr verfügbare Arbeitsplatz neu ist, maßgeblich ist vielmehr die Gleichwertigkeit gegenüber der bisherigen Tätigkeit.

 

Normenkette

KSchG §§ 2, 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Mannheim (Urteil vom 03.12.2003; Aktenzeichen 10 Ca 332/03)

 

Tenor

I.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim/HD vom 03.12.2003 – 10 Ca 332/03 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

II.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer von der Beklagten mit Schreiben vom 19.04.2003 ausgesprochenen Änderungskündigung, die zum 31.07.2003 wirksam werden soll.

Die Beklagte ist ein Einzelhandelsunternehmen, welches bundesweit Handel mit Unterhaltungselektronik, sogenannter weißer Ware, Computern sowie Artikeln der Tele- und Bürokommunikation, Foto u. dgl. betreibt und zu diesem Zweck mehr als 90 Verkaufsfilialen errichtet hat.

Die Klägerin, geboren am 20.12.1959, ist seit dem 10.11.1997 bei der Beklagten – bzw. ihrer Rechtsvorgängerin – in der Filiale D… H. C… (DHC – H…) beschäftigt. Bis zum 30.04.2003 befand sich die Klägerin in Erziehungsurlaub. Als Verkäuferin im Fachbereich Foto erhielt die Klägerin die einschlägige tarifliche Vergütung bei Eingruppierung in Beschäftigungsgruppe II/6. Die Geltung der Bestimmungen der Tarifverträge im Einzelhandel Baden-Württemberg ist im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 11.02.1998 (vgl. Vor.A. Bl. 8 ff) vereinbart.

Mit Schreiben vom 19.04.2003, welchem ein Entwurf für einen geänderten Arbeitsvertrag beigefügt war, sprach die Beklagte die in Streit stehende, auf betriebliche Gründe gestützte Kündigung zum 31.07.2003 aus. Das der Klägerin unterbreitete Änderungsangebot sieht u. a. eine Vergütung i. H. von monatlich EUR 1.650,00 brutto vor. Das Tarifgehalt II/6 betrug seinerzeit EUR 1.915,00 brutto.

Hintergrund der in Streit stehenden Änderungkündigung ist eine von der Beklagten bundesweit initiierte Umgestaltung ihrer Verkaufsfilialen. Diese sollten vom Facheinzelhandel in reine Abverkaufsstellen umfunktioniert werden. Dem Kunden sollte ein – überdies deutlich reduziertes – Warensortiment zum Kauf ohne fachliche Beratung angeboten werden. Dieses Konzept sah in personeller Hinsicht vor, dass eine Verkaufsfiliale nur noch mit einem Marktleiter und einer (reduzierten) Anzahl von nachgeordneten Kräften besetzt sein sollte. Letztere sollten sämtliche anfallenden Funktionen im Bereich der Kassentätigkeit, der Pflege und des Nachfüllens der Ware, der Entgegennahme von Reklamationen sowie der Lagertätigkeit wahrnehmen. Zum Zwecke der Durchsetzung dieses Konzepts hatte die Beklagte mit dem jeweils zuständigen Betriebsrat, so auch mit dem für die Filiale DHC – H… zuständigen Betriebsrat, einen Interessenausgleich abgeschlossen (vgl. Vereinbarung vom 13.02.2003, Vor Abl. 22 ff).

Die Klägerin hat das ihr gemachte Änderungsangebot unter Vorbehalt angenommen. Sie hat bereits beim Arbeitsgericht die Betriebsratsanhörung beanstandet und die Sozialwidrigkeit der Kündigung vom 19.04.2003 geltend gemacht. Entgegen dem Vorbringen der Beklagten sei kein neues unternehmerisches Konzept umgesetzt worden. Die Beklagte biete unverändert die gleiche Produktpalette an, eine fachliche Beratung im Bereich Foto werde weiterhin benötigt, sodaß der Arbeitsplatz der Klägerin nicht weggefallen sei.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 19.04.2003 sozial ungerechtfertigt ist. Zur Begründung ist ausgeführt, die Änderungskündigung sei nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse i. S. des § 1 Abs. 2 KSchG bedingt. Das Vorbringen der Beklagten ergebe nicht, dass kein Bedarf mehr bestanden habe an der Tätigkeit der Klägerin als Fachverkäuferin. Darüber hinaus ist das Arbeitsgericht von einer Rechtsunwirksamkeit der Kündigung gem. § 102 Abs. 1 BetrVG ausgegangen. Zur näheren Sachdarstellung wird auf das arbeitsgerichtliche Urteil vom 03.12.2003 Bezug genommen.

Die Beklagte macht mit der Berufung...

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