Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungsbeurteilung nach tariflichem Entgeltrahmenabkommen. Unbegründete Klage auf höhere Leistungszulage bei tatsächlicher Vermutung der Richtigkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Ermittlung des Leistungsergebnisses gemäß § 18.1 ERA-TV erfolgt durch die Arbeitgeberin; die Bestimmung des Leistungsentgeltes gemäß § 14.1 ERA-TV ist nach billigem Ermessen zu treffen (§ 315 Abs. 1 BGB).
2. Die Bewertung der von den Tarifvertragsparteien beispielhaft vorgegebenen Kriterien (wie etwa wirksame Arbeitsausführung, rationelle Durchführung, sorgfältige Durchführung, Ideenvielfalt, Zielorientierung, Selbstständigkeit, Übernahme von Verantwortung, Zusammenarbeit) und die einzelne Zuordnung zu den Beurteilungsstufen setzt einen Akt wertender Erkenntnis der Beurteilenden voraus; hat die Arbeitgeberin eine Leistungsbeurteilung erstellt, kann diese nur dahingehend überprüft werden, ob die Grenzen des Ermessens eingehalten worden und ob nicht sachfremde oder willkürlichem Motive für die Bestimmung maßgebend gewesen sind.
3. Einer Leistungsbeurteilung, die zunächst vom Vorgesetzten des Arbeitnehmers erstellt worden ist, kommt eine hohe Richtigkeitsgewähr zu, wenn sie sowohl von der Arbeitgeberin als auch vom Betriebsrat akzeptiert worden ist.
4. Auch wenn bei der Arbeitgeberin keine paritätische Kommission für die Überprüfung der Leistungsbeurteilungen gebildet und deshalb die Leistungsbestimmung nicht einem Dritten im Sinne des § 317 Abs. 1 BGB überlassen worden ist, hat das Ergebnis des vorgesehenen Reklamationsverfahrens eine hohe Richtigkeitsgewähr, wenn die Personalabteilung der Arbeitgeberin und der Betriebsrat die vom Vorgesetzten erstellte Leistungsbeurteilung billigen.
5. Das Leistungsergebnis des Arbeitnehmers wird im Verhältnis zu den Leistungen der anderen Beschäftigten ermittelt und ist deshalb relativ.
6. Eine die Leistung gemäß § 315 Abs. 1 BGB bestimmende Partei hat die ihre Leistungsbestimmung tragenden und deren Billigkeit rechtfertigenden Umstände darzutun und zu beweisen.
7. Spricht aufgrund der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls viel für die Richtigkeit der dem Leistungsentgelt zu Grunde liegenden Leistungsbeurteilung und die Einhaltung des der Beurteilenden zustehenden Beurteilungsspielraums, besteht eine tatsächliche Vermutung für die Richtigkeit des Beurteilungsergebnisses; eine tatsächliche Vermutung ist Erfahrungswissen und im Rahmen der Beweiswürdigung von großer Bedeutung.
Normenkette
BGB § 315 Abs. 1, § 611 Abs. 1; ZPO § 286; ERA-TV § 14.1, § 18.1
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 13.12.2012; Aktenzeichen 9 Ca 29/12) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart, Kammern Aalen, vom 13.12.2012, Az. 9 Ca 29/12, wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung einer höheren Leistungszulage für die Monate Juni 2011 bis Dezember 2011. In der Sache geht der Streit darum, ob die Leistungsbeurteilung der Klägerin vom 9. Juni 2011 zutreffend war. Wegen des Parteivortrages und der Sachanträge erster Instanz wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts vom 13. Dezember 2012 Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe keine Verfahrensfehler vorgetragen, die ausschließlich die Bewertung im Jahr 2011 beträfen. Nach dem Vortrag der Klägerin bestehe keine Grundlage, ihr die für das Jahr 2010 errechnete Leistungszulage zu gewähren. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte bei der Leistungsbeurteilung der Klägerin die Grenze billigen Ermessens überschritten habe. Die Klägerin könne sich nicht darauf beschränken, von der Beklagten die Gründe für die Abweichung von der Leistungsbeurteilung des Vorjahres zu erfragen. Nach der Systematik des Tarifvertrages handle es sich bei der Leistungsbeurteilung um eine relative Bewertung, bei der die Arbeitnehmer im Verhältnis zu den Leistungen ihrer Arbeitskollegen eingestuft würden. Die Vorjahresbeurteilung habe deshalb keine Indizwirkung für das Folgejahr. Weiter sei beachtlich, dass nach dem ERA-TV ein durchschnittlich leistungsfähiger Arbeitnehmer eine Leistungszulage von 15 % erhalte. Für überdurchschnittliche Leistungen trage der Arbeitnehmer im Prozess die Darlegungslast, für unterdurchschnittliche Bewertungen der Arbeitgeber.
Das Urteil ist der Klägerin am 9. Januar 2013 zugestellt worden. Mit ihrer am 11. Februar 2013 (Montag) beim Landesarbeitsgericht eingegangenen und innerhalb der bis 11. April 2013 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 11. April 2013 eingegangenen Berufung weist die Klägerin darauf hin, die Beurteilung im Jahr 2010 sei die erste nach Einführung des ERA-TV gewesen. Zuvor haben die Klägerin 138 % des Grundentgelts bezogen. Übertarifliche Prämien und Zulagen seien dann in den ERA-TV überführt und korrekt umgerechnet worden, woraus sich für die Klägerin ein Leistungsentgelt nach ERA-TV von 20,48 % ergeben habe. Ziel sei gew...