Entscheidungsstichwort (Thema)

Günstigkeitsprinzip. Weisungsrecht des Arbeitgebers. hier: Weisung an Solisten. weitere Instrumente einer Instrumentengruppe zu spielen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Tarifvertragsparteien können durch tarifliche Regelungen den Inhalt der Arbeitsaufgabe (hier: Spielen von weiteren Instrumenten) erweitern.

2. Zur Auslegung, ob eine ältere Arbeitsvertragsregelung eine günstigerere abweichende Regelung darstellt.

 

Normenkette

GewO § 106; TVG § 4 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Freiburg i. Br. (Urteil vom 29.01.2010; Aktenzeichen 14 Ca 237/09)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 18.01.2012; Aktenzeichen 10 AZR 779/10)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg vom 29.01.2010, Az. 14 Ca 237/09, wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Umfang des Direktionsrechts der Beklagten, konkret darum, ob der Kläger verpflichtet werden kann, neben dem Hauptinstrument Trompete in allen Stimmungen auch Nebeninstrumente zu spielen und ob er auch anders als nur alternierend eingesetzt werden darf. Der Kläger ist der Auffassung, dass er zu beidem nicht gezwungen ist, weil die Parteien eine entgegenstehende arbeitsvertragliche Regelung getroffen haben.

Die beklagte Anstalt des öffentlichen Rechts betreibt ein bedeutendes Sinfonieorchester. Der Kläger ist dort seit 01.09.1995 als 1. und Solo-Trompeter beschäftigt.

Im Arbeitsvertrag der Parteien vom 23.10.1996 (Anlage K3, Abl. I/19) heißt es:

§ 1 Vereinbarte Tätigkeit, Beschäftigungsort

Das Orchestermitglied ist … als 1. und Solotrompeter beschäftigt.

Das Orchestermitglied ist für folgende Instrumente verpflichtet:

Hauptinstrument:

Trompete

Nebeninstrument(e):

§ 2 Arbeitsvertrag –Tarifvertrag – Orchesterordnung

Der für den Südwestfunk geltende Orchestertarifvertrag sowie die Orchesterordnung des Südwestfunks sind Bestandteil des Arbeitsvertrages.

Entsprechende Regelungen finden sich bereits in dem vorherigen Arbeitsvertrag vom 16. März 1995.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand zunächst der Orchestertarifvertrag gemäß Ziffer 111.1 S. 2 des Manteltarifvertrags für den Südwestfunk (OTV) Anwendung. Der Arbeitsvertrag der Parteien entspricht dem Musterarbeitsvertrag zu diesem OTV.

Zum 01.01.2008 traten neue Tarifverträge in Kraft, die infolge der beiderseitigen Tarifbindung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden. Dazu zählen:

  • • der Klangkörper-Ergänzungstarifvertrag zum Manteltarifvertrag des SWR (KETV-MTV)
  • • der Vergütungstarifvertrag für die Mitglieder der Klangkörper im Südwestrundfunk (KTV-V),
  • • der Klangkörper-Ergänzungstarifvertrag zum TV Arbeitszeit des SWR (KETV-TV AZ) und
  • • der Tarifvertrag zur Überleitung in die ab 01.01.2008 in Kraft tretenden Tarifverträge für die Mitglieder der Klangkörper im Südwestrundfunk vom 13.02.2008 (TV ÜK).

Die Parteien sind sich darin einig, dass die arbeitsvertragliche Verpflichtung bezüglich des Hauptinstrumentes Trompete beinhaltet, Große Trompete in allen Stimmungen jeweils in deutscher und amerikanischer Bauweise zu spielen. Darüber hinaus beherrscht der Kläger die weiteren Instrumente der Instrumentengruppe wie Piccolotrompete in allen Stimmungen, Kornett, Flügelhorn, Naturtrompete und Posthorn auf einem Niveau, wie es im Sinfonieorchester des Beklagten geboten ist. In der Vergangenheit war der Kläger vielfach bereit, auf Anfrage des Beklagten diese Instrumente auf der Grundlage einer Honorarvereinbarung im Einzelfall zu spielen (siehe Auflistung im Schriftsatz des Beklagten vom 17.12.2009, Abl. I/163 und I/164 und hinsichtlich einzelner Ablehnungen Aufstellung des Klägers Abl. I/178).

Seit Inkrafttreten der neuen Tarifverträge meint der Beklagte, dem Kläger das Spielen der weiteren Instrumente der Instrumentengruppe gegen Zahlung einer Zulage anweisen zu können. Dagegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Klage.

Der Beklagte stützt sich zur Begründung der Verpflichtung, die weiteren Instrumente zu spielen, auf die Mitwirkungspflicht nach Nr. 8 TZ 310.1 KETV-MTV (Abl. I/27). Diese Vorschrift lautet:

„Im Rahmen der durch die jeweiligen Klangkörper wahrzunehmenden Aufgaben sind die Klangkörpermitglieder verpflichtet, in bzw. mit allen in Anlage 2 des Klangkörpertarifvertrag-Vergütung näher bezeichneten Stimmen bzw. Instrumenten der jeweiligen Stimm- bzw. Instrumentengruppe mitzuwirken. Hierbei soll auf die Stellung der Musikerin im Klangkörper Rücksicht genommen werden.

Eine Mitwirkungspflicht besteht allerdings nur insoweit, als diese Stimmen bzw. Instrumente spieltechnisch und künstlerisch den Anforderungen des jeweiligen Klangkörpers entsprechend beherrscht werden; dies gilt nicht für arbeitsvertraglich vereinbarte Instrumente / Stimmen.

Darüber hinaus sind Klangkörpermitglieder verpflichtet, an Aktionen mitzuwirken, soweit diese zumutbar, d.h. insbesondere mit den Persönlichkeitsrechten des Einzelnen vereinbar sind.

Aktionen sind partiturgemäße oder inszenierungsbedingte Handlungen, die nach kurzer Einweisung zu realisier...

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