Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche fristlose Kündigung wegen beharrlicher Weigerung des Arbeitnehmers eine Arbeitsanweisung des Arbeitgebers, die gemäß § 106 GewO billigem Ermessen entspricht, zu befolgen
Leitsatz (redaktionell)
Eine zur außerordentlichen Kündigung berechtigende beharrliche Arbeitsverweigerung kann auch bei wiederholtem Verstoß oder bewusstem und gewolltem Widersetzen gegen rechtmäßige Anordnungen gegeben sein.
Normenkette
BGB § 626; GewO § 106 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Urteil vom 22.02.2006; Aktenzeichen 12 Ca 874/05) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird dasUrteil desArbeitsgerichts Stuttgart – Kammern Ludwigsburg – vom22.02.2006 – 12 Ca 874/05 – abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit der außerordentlichen, fristlosen Kündigung vom 07.04.2005, die durch die beklagte Arbeitgeberin ausgesprochen wurde.
Die Beklagte betreibt ein Autohaus mit Werkstatt und beschäftigt ca. 40 Arbeitnehmer. Ein Betriebsrat besteht nicht. Im Kundendienstbereich sind ein übergeordneter Serviceleiter Herr S. sowie drei Kundendienstberater tätig. Diese drei Kundendienstberater haben jeweils einen Meisterbrief. Weitere Kfz-Mechanikermeister sind in der Werkstatt als Facharbeiter tätig. Einen diesen übergeordneten Werkstattmeister hat die Beklagte nicht eingesetzt. Seit 01.01.1999 ist Herr M. Geschäftsführer.
Der am 22.08.1943 geborene, verheiratete Kläger ist gelernter Kfz-Meister und seit dem 01.07.1973 bei der Beklagten als Kundendienstberater bei einem Monatsgehalt von zuletzt EUR 3.300,00 brutto beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis kommen aufgrund beiderseitiger Tarifbindung die jeweils gültigen Tarifverträge für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden im Kfz-Gewerbe in Baden-Württemberg zur Anwendung. In § 6.1 des Manteltarifvertrages heißt es:
Einem Beschäftigten, der das 55., aber noch nicht das 65. Lebensjahr vollendet hat und dem Betrieb mindestens drei Jahre angehört, kann nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden….
Ein schriftlicher Arbeitsvertrag wurde zwischen den Parteien nicht abgeschlossen. Für das Arbeitsverhältnis ist eine Stellenbeschreibung vom 15./22.06.1999 (Bl. 54 – 58 in 12 Ca 874/05) maßgeblich.
Hinsichtlich der Abmahnungen vom 10.02.2001, 18.03.2002 und drei weiterer Abmahnungen vom 07.10.2004 wird auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils verwiesen.
Wegen schlechter Werkstatttests und ebenfalls schlechter Ergebnisse von Kundenbefragungen wies die Beklagte mit Rundschreiben vom 22.02.2005 (Abl. 59 – 61 in 12 Ca 784/05) ab dem Folgetag ihre Mitarbeiter im Servicebereich an, eine im Muster beiliegende Direktannahmecheckliste künftig für jedes eingehende Kundenfahrzeug zu führen. In dem Rundschreiben heißt es u.a.:
„Sehr geehrte Mitarbeiter,
um unserem mehr als schlechten Werkstatt-Test und unserem konstant schlechten CSSReport entgegenzuwirken, wird ab heute jedes eingehende Kundenfahrzeug – egal ob Inspektion, Kleinstreparatur usw. – mit der beiliegenden Direktannahmecheckliste durch den Serviceberater angenommen und zwar 100 % aller Aufträge!!!
Die Bogen sind abends bei Herrn S. abzugeben und kommen mit der Tagespost zur Geschäftsleitung. Dies ist keine vorübergehende Maßnahme, sondern diese wird dauerhaft beibehalten. Der Direktannahme-Check kann auch gerne Änderungen bzw. Verbesserungen erhalten. Hier sind wir für Vorschläge jederzeit offen.
Besonders in Stoßzeiten sollen sich die Kundendienstmitarbeiter auch im Servicebüro aufhalten, um Aufträge anzunehmen. In Ausnahmefällen unterstützen diese Aufgabe die Servicebüro-Mitarbeiter. Die Terminvergabe muss so entzerrt werden, damit nicht alle Kunden auf einmal kommen und man sich Zeit für den Kunden nehmen kann. Dafür haben wir ja auch unser teures Zeitplanungssystem gekauft.
Diese Checkliste ist für Serviceberater keine Mehrarbeit, sondern ganz normaler Standard bei Volkswagen und Audi und wurde auch ausdrücklich von Herrn W., Audi AG Bezirksmanager Service und Herrn F., VW AG Bezirksmanager Service von uns verlangt. Dies wird auf jeden Fall auch mit dem Audi-Nachtest und dem Volkswagen-Werkstatt-Test wieder überprüft !!!
Ich zähle auf Ihre engagierte Umsetzung der Checkliste.”
Das zur Gegenzeichnung durch die Servicemitarbeiter gedachte Schreiben wurde nur vom Kläger nicht handschriftlich unterzeichnet, sondern mit folgenden Bemerkungen versehen: „Technische Geräte in Ordnung bringen, EDV, Drucker, Kopierer, Telefon (zum Teil unleserlich), erste Hebebühne, zwei Meister, Hebebühne keine Beleuchtung, WPS-Merkmale bearbeiten, Hebebühne nach Abnahme sofort freimachen, Bremsprüfstände keine Waschhalle, 24.02.05”.
Der Kläger befolgte diese Arbeitsanweisung der Beklagten bis zum Ausspruch der außerordentlichen Kündigung vom 07.04.2005 nicht. Im Rahmen einer Hausmitteilung vom 08.03.2005, welche zur Gegenzeichnung auch durch den Kläger vorgesehen war, wurde ein als nachtei...