Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Kündigung. Unternehmerentscheidung. Umgestaltung einer Einzelhandels-Verkaufsfiliale

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Umgestaltung einer Einzelhandelsfiliale in eine reine Abverkaufsfiliale kann eine unternehmerische Entscheidung darstellen, die ein dringendes betriebliches Erfordernis für die Kündigung hierfür nicht mehr erforderlicher Arbeitnehmer darzustellen vermag.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Mannheim (Urteil vom 06.04.2004; Aktenzeichen 4 Ca 219/03)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 22.09.2005; Aktenzeichen 2 AZR 155/05)

 

Tenor

I.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Schluß-Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 06.04.2004 – 4 Ca 219/03 – abgeändert:

Die Klage wird, soweit ihr über das Teilanerkenntnisurteil vom 17.02.2004 hinaus stattgegeben wurde, abgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

III.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in erster Linie über die Rechtswirksamkeit einer von der Beklagten mit Schreiben vom 22.04.2003 ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung zum 31.07.2003. Daneben beansprucht der Kläger eine tarifliche Sonderzahlung in Form eines zusätzlichen Urlaubsgeldes.

Die Beklagte ist ein Einzelhandelsunternehmen, welches bundesweit Handel mit Unterhaltungselektronik, sog. weißer Ware, Computern sowie Artikeln der Tele- und Bürokommunikation, Foto und dergleichen betreibt und zu diesem Zweck mehr als 90 Verkaufsfilialen errichtet hatte. Der Kläger, geboren am 21.08.1970, war seit dem 18.12.1995 – nach näherer Maßgabe eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 18.12.1995, Vor.A. Bl. 5 ff – bei der Beklagten in der Filiale M.-N. (Filiale 261) beschäftigt. Diese Filiale war ursprünglich mit ca. 36 Arbeitnehmern besetzt. Als Fachverkäufer für Computer bezog der Kläger zuletzt ein monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von ca. Euro 2.374,00.

Bei der Beklagten sind Regionalbetriebsräte gebildet. Mit dem u. a. für die Filiale 261 zuständigen Betriebsrat für die Region Süd und Südwest schloß die Beklagte am 13.02.2003 eine Vereinbarung ab, die u. a. einen Interessenausgleich sowie personelle Auswahlrichtlinien zum Gegenstand hat (vgl. Vor.A. Bl. 31 ff.). Hiernach ist geregelt, dass sämtliche in einer Anlage aufgeführten Filialen, darunter auch die Beschäftigungsfiliale des Klägers, zu „reinen Abverkaufsstellen umgestaltet” werden sollten. Hierzu (vgl. B § 1 der Vereinbarung) ist u. a. näher ausgeführt:

”B Interessenausgleich

§ 1 Betriebsänderung

Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat Planungen und sonstige Informationen zugänglich gemacht, die die Durchführung der nachfolgend beschriebenen Betriebsänderung und die damit verbundenen Maßnahmen betreffen. Der Betriebsrat bestätigt ausdrücklich, umfassend vor Abschluß dieser Vereinbarung durch den Arbeitgeber informiert worden zu sein, und zwar über folgende Änderungen:

  1. Alle in der Anlage 1 aufgeführten Filialen werden zu reinen Abverkaufsstellen umgestaltet, und zwar voraussichtlich beginnend zu den dort jeweils genannten Zeitpunkten. Die Parteien sind sich dabei einig, daß eine Verschiebung der dort genannten Zeitpunkte von bis zu 4 (vier) Monaten keine wesentliche Abweichung darstellt. Angelieferte Ware wird zukünftig weitestgehend direkt vom LKW oder aus dem Lager unausgepackt auf Paletten in den Markt gefahren. Kunden müssen sich die Ware überwiegend direkt von der Palette/aus den Regalen entnehmen und zur Kasse befördern. Es findet nur noch eine eingeschränkte Kundenberatung / Serviceleistung in den einzelnen Filialen statt. Zur Durchführung dieser Maßnahme wird das bisherige Warensortiment an die neuen Verhältnisse angepaßt.
  2. Aufgrund dieser Umgestaltung wird in einer durchschnittlichen Filiale nur noch ein Marktleiter sowie 9 Mitarbeiter beschäftigt. Allen diesen Mitarbeiter obliegt je nach Bedarf – die Kassentätigkeit, die Pflege und das Nachfüllen der Waren, die Annahme von Kundengeräten im Rahmen der Gewährleistung bzw. der Kulanz sowie Lagertätigkeiten. Zusammen mit dem Marktleiter sind diese 9 Mitarbeiter notwendig, um das Funktionieren der Abverkaufsstelle innerhalb der täglichen Öffnungszeit zu gewährleisten. Diese Tätigkeit ist im Verhältnis zu den bisherigen im Betrieb bestehenden Arbeitsplätzen neu. Eine Versetzung im Rahmen des arbeitsvertraglichen Direktionsrechtes ist deshalb nicht möglich. Alle Arbeitnehmer – mit Ausnahme des Marktleiters – werden deshalb gekündigt. 9 Arbeitnehmer erhalten nach den nachstehenden Regelungen keine Beendigungskündigung, sondern eine Änderungskündigung. …”

Hinsichtlich der Auswahl der in einer Filiale benötigten und demnach zu verbleibenden Arbeitnehmer enthält die Vereinbarung vom 13.02.2003 unter Buchstabe C näher ausgestaltete Auswahlrichtlinien. Der Kläger gehörte nach diesen Richtlinien nicht zu demjenigen Personenkreis, demgegenüber im Zusammenhang mit der Zuweisung einer Tätigkeit mit dem neuen Zuschnitt lediglich eine Änderungskündigung ausgesprochen werden sollte. Der Kläger erhielt stat...

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