Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Kündigung. Unternehmerentscheidung. Umgestaltung einer Einzelhandels-Verkaufsfiliale
Leitsatz (redaktionell)
Die Umgestaltung einer Einzelhandelsfiliale in eine reine Abverkaufsfiliale kann eine unternehmerische Entscheidung darstellen, die ein dringendes betriebliches Erfordernis für die Kündigung hierfür nicht mehr erforderlicher Arbeitnehmer darzustellen vermag (entgegen LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 16.02.2005 – 12 Sa 112/04).
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Mannheim (Urteil vom 06.04.2004; Aktenzeichen 4 Ca 285/03) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 06.04.2004 – Az.: 4 Ca 285/03 – abgeändert:
Die Klage wird, soweit hierüber nach Erledigterklärung im übrigen noch zu entscheiden ist, abgewiesen.
Von den Kosten des ersten Rechtszuges haben der Kläger 93/100 und die Beklagte 7/100 zu tragen. Von den Kosten der Berufung haben der Kläger 9/10 und die Beklagte 1/10 zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufung noch über die Wirksamkeit einer mit Schreiben vom 22.04.2003 gegenüber dem Kläger ausgesprochenen ordentlichen betriebsbedingten Kündigung zum 31.10.2003 und über den Umfang des Anspruchs auf eine tarifliche Sonderzahlung in Form eines zusätzlichen Urlaubsgeldes.
Die Beklagte ist ein Einzelhandelsunternehmen, welches bundesweit Handel mit Unterhaltungselektronik, sogenannter weißer Ware, Computern sowie Artikeln der Tele- und Bürokommunikation, Foto und dergleichen betreibt und zu diesem Zweck mehr als 90 Verkaufsfilialen errichtet hatte. Der 1942 geborene, verheiratete und gegenüber zwei Kindern unterhaltsverpflichtete Kläger war aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 14.01.1991 (ABl. 4-8 d.Vorakte) in der ursprünglich mit ca. 40 Arbeitnehmern besetzten Filiale…P. M.-C. als Verkäufer für Computer bei einem Bruttomonatsgehalt von durchschnittlich EUR 2.280,00 beschäftigt.
Bei der Beklagten sind Regionalbetriebsräte gebildet. Mit dem auch für die Filiale M. – C. zuständigen Betriebsrat für die Region S. und S. schloss die Beklagte am 13.02.2003 eine Vereinbarung ab, die u.a. einen Interessenausgleich sowie personelle Auswahlrichtlinien zum Gegenstand hat (vgl. Bl. 16 ff. d. Vorakte). Hiernach ist geregelt, dass sämtliche in einer Anlage aufgeführten Filialen, darunter auch die Beschäftigungsfiliale des Klägers, zu „reinen Abverkaufsstellen umgestaltet” werden sollten. Hierzu ist u.a. näher ausgeführt:
„B) Interessenausgleich
§ 1 Betriebsänderung
1. Alle in der Anlage 1 aufgeführten Filialen werden zu reinen Abverkaufsstellen umgestaltet, und zwar voraussichtlich beginnend zu den dort jeweils genannten Zeitpunkten. Die Parteien sind sich dabei einig, dass eine Verschiebung der dort genannten Zeitpunkte von bis zu 4 (vier) Monaten keine wesentliche Abweichung darstellt. Angelieferte Ware wird zukünftig weitestgehend direkt vom LKW oder aus dem Lager unausgepackt auf Paletten in den Markt gefahren. Kunden müssen sich die Ware überwiegend direkt von der Palette/aus den Regalen entnehmen und zur Kasse befördern. Es findet nur noch eine eingeschränkte Kundenberatung/Serviceleistung in den einzelnen Filialen statt. Zur Durchführung dieser Maßnahme wird das bisherige Warensortiment an die neuen Verhältnisse angepaßt.
2. Aufgrund dieser Umgestaltung wird in einer durchschnittlichen Filiale nur noch ein Marktleiter sowie 9 Mitarbeiter beschäftigt. Allen diesen Mitarbeitern obliegt je nach Bedarf die Kassentätigkeit, die Pflege und das Nachfüllen der Waren, die Annahme von Kundengeräten im Rahmen der Gewährleistung bzw. der Kulanz sowie Lagertätigkeiten. Zusammen mit dem Marktleiter sind diese 9 Mitarbeiter notwendig, um das Funktionieren der Abverkaufsstelle innerhalb der täglichen Öffnungszeit zu gewährleisten. Diese Tätigkeit ist im Verhältnis zu den bisherigen im Betrieb bestehenden Arbeitsplätzen neu. Eine Versetzung im Rahmen des arbeitsvertraglichen Direktionsrechts ist deshalb nicht möglich. Alle Arbeitnehmer – mit Ausnahme des Marktleiters – werden deshalb gekündigt. 9 Arbeitnehmer erhalten nach den nachstehenden Regelungen keine Beendigungskündigung, sondern eine Änderungskündigung.
C.) Auswahlrichtlinie
§ 1 Auswahlkriterien
1. Die Auswahlrichtlinie ist nur für die Auswahl der Mitarbeiter anzuwenden, denen im Zuge der Umgestaltung einer Filiale zur reinen Abverkaufsstelle die in diesem Zusammenhang zu bildende Stellen angeboten werden.
2. Vergleichbar sind dabei alle bislang in der Filiale tätigen Arbeitnehmer,…
…
3. Die Parteien vereinbaren, dass die Auswahl der neu zu besetzenden Arbeitsplätze nach den folgenden Maßgaben erfolgt:
…
… „
Die Filiale M.-C. sollte im Rahmen dieser Betriebsänderung nur noch mit 13 Filialmitarbeitern besetzt werden. Der Kläger, der nach den Auswahlrichtlinien der Vereinbarung vom 13.02.2003 nicht zu demjenigen Personenkreis gehörte, demgegenüber lediglich eine Änder...