Entscheidungsstichwort (Thema)
Höhe der Vorfälligkeitszinsen bei der Bewertung von auf den Pensonsicherungsverein als Träger der Insolvenzsicherung übergegangenen Rentenansprüchen
Leitsatz (amtlich)
1. Bei wiederkehrenden Leistungen, deren Dauer unbestimmt ist, verweist § 46 Satz 2 InsO auf § 45 Satz 1 InsO und nicht auf § 41 Abs. 2 InsO. Der gesetzliche Zinssatz nach § 41 Abs. 2 InsO ist im Rahmen der nach § 45 InsO vorzunehmenden Schätzung des Vorteils, welcher durch die Vorfälligkeit der auf den Träger der Insolvenzsicherung nach § 9 Abs. 2 BetrAVG übergegangenen Betriebsrentenansprüche entsteht, nicht zugrunde zu legen.
2. Im Rahmen der nach § 45 Satz 1 InsO vorzunehmenden Schätzung scheidet die Nutzung eines starren Zinssatzes aus.
3. Ein Zinssatz nach § 253 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 HGB erweist sich als am geeignetsten und angemessen zur Schätzung der Forderung. Offen bleibt, ob der Zinssatz des § 253 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 HGB oder derjenige des § 253 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 HGB vorzugswürdig ist.
Normenkette
BetrAVG § 9 Abs. 2 S. 1; InsO § 41 Abs. 2, §§ 45-46; HGB § 253 Abs. 2; BGB § 246
Verfahrensgang
ArbG Reutlingen (Entscheidung vom 08.01.2020; Aktenzeichen 7 Ca 251/19) |
Nachgehend
Tenor
- Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 28.01.2020 - 7 Ca 251/19 - wird zurückgewiesen.
- Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der Vorfälligkeitszinsen bei der Bewertung von Rentenansprüchen, die auf den Pensionssicherungsverein übergegangen sind.
Der klagende Pensionssicherungsverein auf Gegenseitigkeit ist der Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung nach § 14 Abs. 1 BetrAVG. Der Beklagte ist der gerichtlich bestellte Insolvenzverwalter in dem am 01.10.2017 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der E. GmbH. Die E. GmbH hatte ihren Arbeitnehmern Betriebsrentenzusagen in Form unmittelbarer Versorgungszusagen erteilt. Die Ansprüche der Rentner (Anwartschaften sind hier nicht betroffen) gingen infolge der Insolvenz gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG auf den Kläger über.
Mit Schreiben vom 11.10.2017 meldete der Kläger im Insolvenzverfahren erstmals eine Forderung auf vorläufiger Basis an und berichtigte diese mit Schreiben vom 10.01.2018 auf 301 500,99 €. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus einem Betrag iHv. 287 886,00 €, einem Betrag iHv. 11 304,66 € (geleistete Rentenrückstände aus der Zeit vor der Insolvenz), einem Betrag iHv. 485,89 € (rückständige Insolvenzsicherungsbeiträge der Insolvenzschuldnerin) und einem Betrag iHv. 1 824,44 € (bereits entstandene, aber noch nicht fällige Ratenzahlungen gemäß § 30 i BetrAVG). Der an erster Stelle genannte Betrag von 287 886,00 € ergibt sich aus einem versicherungsmathematischen Gutachten des Klägers vom 10.01.2018 über den Umfang der zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei der Insolvenzschuldnerin bestehenden insolvenzgesicherten Versorgungsverpflichtungen. Hinsichtlich des genauen Inhalts des Gutachtens wird auf die Anlage K 3 (Blatt 11 bis 16 ArbG-Akte) Bezug genommen.
Die vom Gutachten zugrundegelegten Parameter sind die Geburtsdaten, die monatlichen Renten, der Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung und die Sterbetafeln (Richttafeln 2005 G von Prof. Dr. Klaus Heubeck). Des Weiteren legt das Gutachten einen Abzinsungssatz von 3,74 % zugrunde. Dies ist der Zinssatz gemäß § 253 Abs. 2 HGB, Stand Oktober 2017. Zwischen den Parteien besteht einzig Streit darüber, ob im Rahmen der Schätzung, die für die Bewertung der auf den Kläger übergegangenen Forderungen nach § 45 InsO vorzunehmen ist, für die Abzinsung zu Recht dieser Zinssatz nach § 253 Abs. 2 S. 2 HGB zugrundegelegt wurde oder ob stattdessen mit dem vom Beklagten befürworteten gesetzlichen Zinssatz nach § 41 InsO iHv. 4 % abzuzinsen ist.
§ 41 InsO, § 45 InsO, § 46 InsO, § 246 BGB und § 253 HGB lauten, soweit hier von Interesse:
§ 41 InsO Nicht fällige Forderungen
(1) Nicht fällige Forderungen gelten als fällig.
(2) Sind sie unverzinslich, so sind sie mit dem gesetzlichen Zinssatz abzuzinsen. Sie vermindern sich dadurch auf den Betrag, der bei Hinzurechnung der gesetzlichen Zinsen für die Zeit von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zur Fälligkeit dem vollen Betrag der Forderung entspricht.
§ 45 InsO Umrechnung von Forderungen
Forderungen, die nicht auf Geld gerichtet sind oder deren Geldbetrag unbestimmt ist, sind mit dem Wert geltend zu machen, der für die Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschätzt werden kann. (...)
§ 46 InsO Wiederkehrende Leistungen
Forderungen auf wiederkehrende Leistungen, deren Betrag und Dauer bestimmt sind, sind mit dem Betrag geltend zu machen, der sich ergibt, wenn die noch ausstehenden Leistungen unter Abzug des in § 41 bezeichneten Zwischenzinses zusammengerechnet werden. Ist die Dauer der Leistungen unbestimmt, so gilt § 45 Satz 1 entsprechend.
§ 246 BGB G...