Entscheidungsstichwort (Thema)
Direkte Zahlungsansprüche aufgrund einer Patronatserklärung gegen eine kanadische Gesellschaft wegen nicht erfüllter Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis zu einer insolventen Schweizer Gesellschaft
Leitsatz (amtlich)
1. Fortgang nach BAG 29. März 2023 (5 AZR 55/19).
2. Wurde nach einer von einem deutschen Gericht rechtskräftig für unwirksam erachteteten außerordentlichen Kündigung das Arbeitsverhältnis zwischen den Vertragsparteien entgegen den Grundsätzen des schweizerischen Rechts nicht aufgelöst, bedarf es zur Begründung von Annahmeverzugsansprüchen nach Art. 324 Abs. 1 OR (Schweizerisches Obligationenrecht) keines tatsächlichen oder ausdrücklichen Angebots der Arbeitskraft.
3. Die Ersatzansprüche nach Art. 337c Abs. 1 OR und auch die Entschädigungsansprüche nach Art. 337c Abs. 3 OR verjähren erst mit Ablauf der zehnjährigen Regelverjährungsfrist des Art. 127 OR und nicht bereits nach drei Jahren gem. Art. 60 Abs. 1 OR oder nach fünf Jahren gem. Art. 128 Nr. 3 OR.
Normenkette
ZPO §§ 264, 533; ArbGG § 72 Abs. 2 Nr. 1; EuGVVO Art. 21 Abs. 1; OR Art. 20, 60, 127, 128 Nr. 3, Art. 324 Abs. 1-2, Art. 336b, 337c Abs. 1, 3, Art. 60 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 22. November 2017 (29 Ca 1854/17) über die bereits gem. Nr. I.5. des Urteils des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 15. August 2018 (4 Sa 6/18) rechtskräftig erfolgte Abänderung hinaus wie folgt abgeändert.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Arbeitsentgelt für den Zeitraum 1. April 2016 bis 11. Juli 2016 zu bezahlen in Höhe von 100.080,65 US Dollar (USD) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent p.a. aus je 42.500,00 USD seit 17. Mai 2016 und seit 16. Juni 2016 sowie aus 15.080,65 USD seit 18. Juli 2016.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Entgelt für den Zeitraum 12. Juli 2016 bis 1. August 2016 zu bezahlen in Höhe von 28.790,32 USD nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent p.a. aus 27.419,35 USD seit 18. Juli 2016 und aus 1.370,97 USD seit 16. August 2016.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Ersatz für entgangenes Entgelt für den Zeitraum 2. August 2016 bis 30. September 2017 zu bezahlen in Höhe von 593.629,30 USD nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent p.a. aus 41.129,03 USD seit 16. August 2016 und aus jeweils 42.500,00 USD seit 16. September 2016, 17. Oktober 2016, 16. November 2016, 16. Dezember 2016, 16. Januar 2017, 16. Februar 2017, 16. März 2017, 17. April 2017, 16. Mai 2016, 16. Juni 2016, 17. Juli 2017, 16. August 2017 und 18. September 2017.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Entschädigung wegen ungerechtfertigter fristloser Entlassung zu bezahlen in Höhe von 85.000,00 USD nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent p.a. hieraus seit 24.10.2023.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu 83,5 Prozent und die Beklagte zu 16,5 Prozent zu tragen. Von den Kosten erster Instanz hat der Kläger 33,4 Prozent und die Beklagte 66.6 Prozent zu tragen. Die Kosten der Revision hat der Kläger zu 88,1 Prozent und die Beklagte zu 11,9 Prozent zu tragen.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger gegen die beklagte kanadische Gesellschaft aufgrund einer Patronatserklärung direkte Zahlungsansprüche wegen nicht erfüllter Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis zu einer insolventen Schweizer Gesellschaft zustehen.
Wegen des erst- und zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der bislang erst- und zweitinstanzlich gestellten Anträge wird auf die Tatbestände des erstinstanzlichen Urteils vom 22. November 2017 und des Berufungsurteils vom 15. August 2018 sowie auf den Tatbestand des Urteils des BAG vom 29. März 2023 (5 AZR 55/19) Bezug genommen. Ebenfalls wird Bezug genommen auf die Sachverhaltsdarstellung im Urteil des EuGH vom 20. Oktober 2022 (C-604/20, ROI Land Investments).
Mit Urteil der Kammer vom 15. August 2018 wurde die Beklagte zur Leistung einer Antrittsprämie iHv. 255.000,00 USD verurteilt sowie zur Leistung von Annahmeverzugsvergütung für den Zeitraum April 2016 bis November 2017 iHv. insgesamt 807.500,00 USD. Außerdem wurde die Beklagte zur Zahlung eines Auslagenersatzes iHv. 81,15 Euro verurteilt. Es wurde festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet sei, steuerliche Nachteile des Klägers auszugleichen, die sich aus der (verspäteten) Nachzahlung des Entgelts ergeben. Dieses Urteil wurde auf die Revision der Beklagten mit Urteil des BAG vom 29. März 2023 (5 AZR 55/19) nach vorangegangenem Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH (EuGH 20. Oktober 2022 - C-604/20 -, ROI Land Investments) aufgehoben, mit Ausnahme der Titulierung iHv. 81,15 Euro Auslagenersatz, welche rechtskräftig wurde. Der Rechtsstreit wurde an das Landesarbeitsgericht zurückverwi...