Entscheidungsstichwort (Thema)
Weiterbeschäftigung eines Behinderten auf einem freien leidensgerechten Arbeitsplatz; Erfordernis der Durchführung des Verfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG. Erfordernis der Durchführung des Verfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG. Widerspruch des Betriebsrats
Leitsatz (redaktionell)
Die Pflicht des Arbeitgebers, einem schwerbehinderten Arbeitnehmer gem. § 81 Abs. 4 S. 1 SGB IX einen seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechenden Arbeitsplatz zuzuweisen, ist auch zu berücksichtigen bei der Prüfung, ob eine Beendigungskündigung durch eine mit einer Änderungskündigung verbundenen Versetzung auf einen solchen Arbeitsplatz vermieden werden kann. Bei einem Schwerbehinderten ist dem Arbeitgeber, wenn der Betriebsrat die Zustimmung zur Versetzung verweigert, grundsätzlich auch die Durchführung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens gem. § 99 Abs. 4 BetrVG zumutbar.
Normenkette
SGB IX § 81 Abs. 4; BetrVG § 99 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Urteil vom 12.09.2003; Aktenzeichen 19 Ca 6547/01) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom12.09.2003 – Az.: 19 Ca 6547/01 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung vom 12.07.2001 zum 31.12.2001, der die Hauptfürsorgestelle am 08.06.2001 nach inzwischen rechtskräftiger Entscheidung zugestimmt hat (Aktenblatt 9 ff. der erstinstanzlichen Akte).
Der am 30.06.1960 geborene Kläger ist seit 01.10.1992 bei der Beklagten, die mehr als fünf Arbeitnehmer im Sinne des § 23 KSchG beschäftigt, als juristischer Sachbearbeiter für Kfz-Schäden angestellt. Er bezog zuletzt ein Jahresgehalt in Höhe von EUR 43.020,00 zuzüglich einer Erfolgsbeteiligung in Höhe von EUR 2.600,44. Seit 04.09.1998 ist er gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX mit einem GdB von 30 einem Schwerbehinderten gleichgestellt.
Am 22.12.1999 stellte die Beklagte bei der Hauptfürsorgestelle des Landeswohlfahrtsverbands W. H. einen Antrag auf Zustimmung zur Kündigung des Klägers (Aktenblatt 89 ff. der erstinstanzlichen Akte). In der Folgezeit wurde der Kläger durch den Integrationsdienst betreut und unterzog sich einer Verhaltenstherapie und Kur. Gleichzeitig prüfte die Beklagte Umsetzungsmöglichkeiten für den Kläger. Am 04.05.2001 kam es zu einer Vereinbarung zwischen dem Kläger und der Beklagten folgenden Inhalts:
„Die gesundheitliche, insbesondere körperliche, Eignung von Herrn G. für die derzeit in der Materialverwaltung der S. V., S., zu besetzende Stelle wird durch eine Untersuchung durch den Betriebsarzt der S. V., Herrn Dr. H.-D. E., verbindlich festgestellt. Das Untersuchungsergebnis von Herrn Dr. E. ist für die Beteiligten endgültig.” (Abl. 400 d. erstinst. Akte)
Am 18.05.2001 teilte der Betriebsarzt der Beklagten mit, dass gegen die Aufnahme der Tätigkeit in der Materialverwaltung keine Bedenken bestünden (Aktenblatt 401 der erstinstanzlichen Akte). Die Beklagte hörte deshalb am 22.05.2001 den Betriebsrat zur Versetzung des Klägers in die Materialverwaltung, hilfsweise zur Kündigung des Klägers an (Aktenblatt 251 ff. der erstinstanzlichen Akte). Der Betriebsrat widersprach der Versetzung des Klägers am 23.05.2001 unter Hinweis auf die „negativen Auswirkungen für den Betrieb, die „Kunden” sowie die KollegInnen innerhalb der Abteilung” (Aktenblatt 327 der erstinstanzlichen Akte). Die erneute Anhörung des Betriebsrats vom 04.07.2001 zur ordentlichen Kündigung des Klägers (Aktenblatt 328 ff. der erstinstanzlichen Akte) ließ der Betriebsrat unbeantwortet.
Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam, weil er weiterhin in der Lage sei, seine Arbeit als Schadenssachbearbeiter zu erbringen. Jedenfalls aber hätte er auf dem am 04.05.2001 angebotenen Arbeitsplatz in der Materialverwaltung weiterbeschäftigt werden können. Der Kläger hat deshalb erstinstanzlich beantragt,
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 12.07.2001 nicht aufgelöst wurde.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung aufzulösen.
Unter Berufung auf das vom Arbeitsgericht eingeholte Sachverständigengutachten (Aktenblatt 166 ff. der erstinstanzlichen Akte) ist sie davon ausgegangen, dass der Kläger aufgrund einer psychischen Erkrankung außerstande sei, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Entgegen der Auffassung des Klägers habe sie ihm keine Beschäftigungszusage in der Materialverwaltung erteilt. Nachdem der Betriebsrat der Versetzung widersprochen habe, sei sie nicht verpflichtet gewesen, ein Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen. Jedenfalls sei aber eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger nicht mehr zu erwarten, weil der Kläger ihr wiederholt völlig unbegründet Mobbing bzw. Schi...