Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütungspflicht hinsichtlich der gesetzlichen Ruhepausen für in einer Schachtanlage unter Tage beschäftigte Arbeitnehmer
Leitsatz (amtlich)
1. Bei den in der Schachtanlage A. II unter Tage beschäftigten Arbeitnehmern zählen die gesetzlichen Ruhepausen gem. § 4 ArbZG in analoger Anwendung des § 2 Abs. 1 Satz 2 ArbZG zur Arbeitszeit.
2. Folge der analogen Anwendung des § 2 Abs. 1 Satz 2 ArbZG ist, dass die gesetzlichen Ruhepausen dieser Arbeitnehmer vergütungspflichtig sind.
Normenkette
ArbZG § 2 Abs. 1 S. 2; BBergG § 2
Verfahrensgang
ArbG Pforzheim (Entscheidung vom 11.04.2018; Aktenzeichen 6 Ca 424/17) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Pforzheim vom 11. April 2018 - 6 Ca 424/17 - abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.109,10 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. Dezember 2017 zu zahlen.
- Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
- Für die Beklagte wird die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger verlangt die Vergütung von Pausen.
Der am X. März 19XX geborene Kläger war seit 1. August 1993 auf der Basis des Arbeitsvertrags vom 2. August 1993 (Bl. 7 f. der ArbG-Akte) bei der S. I. GmbH beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis ist zu einem von den Parteien nicht mitgeteilten Zeitpunkt im Wege des Betriebsübergangs auf die Beklagte übergegangen. Die Beklagte hat den Kläger zumindest im Zeitraum vom 16. Juni 2014 bis 22. Dezember 2017 im Wege der Arbeitnehmerüberlassung an die A. GmbH überlassen. Der Kläger wird im Betrieb der Schachtanlage A. II eingesetzt, wo ca. 300 Bergleute, Techniker und Ingenieure im 3-Schicht-Betrieb unter Tage arbeiten. In der Schachtanlage wurden von 1967 bis 1978 im Auftrag des Bundes rund 47.000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktive Abfälle eingelagert. Der gesetzliche Auftrag lautet nunmehr, die Anlage unverzüglich stillzulegen, was nach Rückholung der radioaktiven Abfälle erfolgen soll.
Das Bruttomonatsgehalt des Klägers beträgt bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden 4.304,43 €. Der Kläger ist seit dem 15. April 2015 ausweislich des Schreibens der A. GmbH an das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie C.-Z. vom 16. April 2015 (Bl. 1142 der ArbG-Akte) gem. § 60 Abs. 2 BBergG als schichtführende Aufsichtsperson für den Bereich der Faktenerhebung bestellt. Das Aufgabengebiet der Faktenerhebung beinhaltet die Erkundung von in unterirdischen Speichern eingelagerten Fässern mit radioaktiven Abfällen. Im Rahmen der Erkundung werden Probebohrungen durchgeführt, die radiologisch überwacht und deren Messergebnisse vor Ort ausgewertet werden. Das vom Kläger zu beaufsichtigende Personal der jeweiligen Schicht unter Tage besteht aus einer Bohrmannschaft, dem Strahlenschutzpersonal und Fachleuten der Dekontamination. Der Kläger als schichtführende Aufsichtsperson ist für die Projektleute über Tage quasi der "verlängerte Arm" unter Tage und für die Organisation und Durchführung von Probeentnahmen und deren qualitätsgesicherte Auswertung verantwortlich. Ist der Kläger nicht unter Tage anwesend, ist kein anderer Arbeitnehmer befugt, sich dort aufzuhalten oder irgendwelche Tätigkeiten durchzuführen. Der Kläger gibt sämtliche Bohrungen, Messungen und Reparaturarbeiten frei. Er steht durchgehend im Leitstand unter Tage und gibt Anweisungen an das Bohrpersonal. Alle Messgeräte laufen an seinem Leitstand auf (auf Monitoren) und werden vom Kläger überwacht.
Die Tätigkeiten im Bereich der Faktenerhebung umfassen vor allem die Durchführung von Gesteinsbohrungen, den Transport von Schuttmaterial, die Installation und Inbetriebnahme von Lüftungsrohren, die Sanierung von Wegen, die Wiederherstellung von Einhausungen, das Einrüsten von Arbeitsbereichen, Betoniertätigkeiten zur Stabilisierung von Arbeitsbereichen, die Wegereinigung, Aufräumarbeiten in den Schleusen, die Durchführung von Messungen und die Überprüfung von technischen Geräten.
Der Kläger erfasst die arbeitstäglichen Arbeiten in einem Schichtbericht (Bl. 64 bis 1139 der ArbG-Akte) und übergibt diesen zeitnah dem verantwortlichen Projektingenieur.
Der Kläger hat vorgetragen: Die Beklagte müsse an Tagen, an denen er länger als sechs Stunden unter Tage arbeite, die 30-minütige Pause vergüten. Für die Jahre 2014 bis 2017 seien insgesamt 240 Stunden an nicht bezahlter, aber zu vergütender Pausenzeit angefallen, wie sich aus den vorgelegten Excel-Tabellen (Bl. 9 bis 28 der ArbG-Akte) ergebe. Er habe - was inzwischen unstreitig ist - seine Pausen sämtlich in einem sogenannten Pausencontainer unter Tage verbracht. Ausgehend von einem Stundenlohn von 24,83 € ergebe sich ein zu zahlender Betrag in Höhe von 6.109,10 €.
Gem. § 2 BBergG gelte das Bundesberggesetz auch für das Lagern und Ablagern von sonstigen Massen, was auch das Ablagern von Atomabfällen umfasse. Sein Arbeitsplatz "die Faktenerhebung" sei Teil der S...