Entscheidungsstichwort (Thema)
Reichweite des Direktionsrechts bei Veränderungen in der Firmenhierarchie. zur Bestimmtheit von Beschäftigungsanträgen
Leitsatz (redaktionell)
1. Nimmt der Arbeitgeber unter Berufung auf sein arbeitsvertragliches Weisungsrecht eine Änderung der Arbeitsbedingungen, insbesondere eine Versetzung vor, kann sich der Arbeitnehmer hiergegen mit einer Feststellungsklage wenden.
2. Gemäß § 106 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Der Umfang des Direktionsrechts bestimmt sich vor allem nach dem Inhalt des Arbeitsvertrags.
3. Das Direktionsrecht berechtigt den Arbeitgeber grundsätzlich nicht, dem Arbeitnehmer eine geringwertigere Tätigkeit als vertraglich vereinbart zu übertragen. Dies gilt nicht nur deshalb, weil damit regelmäßig eine Änderung der vertraglichen Vergütung verbunden ist. Auch die Art der Beschäftigung kann durch das Direktionsrecht nur im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen abgeändert werden. Der Arbeitgeber kann deshalb dem Arbeitnehmer auch dann keine niedriger zu bewertende Tätigkeit zuweisen, wenn er die höhere Vergütung fortzahlt, die der bisherigen Tätigkeit entspricht.
Normenkette
GewO § 106
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Urteil vom 17.07.2007; Aktenzeichen 4 Ca 1480/08) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart, Kammern Ludwigsburg, vom 17.07.2008 – 4 Ca 1480/08 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
- Es wird festgestellt, dass die Versetzung des Klägers in Form der Herabstufung von der Führungsebene E 4 in die Sachbearbeiterebene unwirksam ist.
- Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Arbeitnehmer auf einer Stelle zu beschäftigen, die der Wertigkeit der Führungsebene 4 sowie deren Vergütungsmerkmale (einschließlich der privaten PKW-Nutzung ohne Sonderfall-Regelung) entspricht.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurück gewiesen.
III. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung/Herabstufung des Klägers vom 10.01.2008 sowie über dessen vertragsgemäße Beschäftigung.
Der am 27.07.1957 geborene ledige und keiner Person unterhaltsverpflichtete Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.09.1973 beschäftigt. Vor der streitigen Versetzung war der Kläger im Werk U. in der Organisationseinheit „BCF/RT” tätig. Das Jahresgehalt des Klägers belief sich im Jahr 2007 auf EUR 100.135,18.
Die Beklagte ist ein Unternehmen der Automobilindustrie. Bei ihr bestehen unterhalb der (erweiterten) Vorstandsebene (Level A – C) im Verwaltungsbereich vier Führungsebenen (absteigend E 1 bis E 4). Unterhalb der Führungsebene E 4 beginnt die Ebene der Sachbearbeiter.
Die Vergütung der Führungskräfte der Ebene 4 ist bei der Beklagten in einer Gesamtbetriebsvereinbarung E 4 vom 21.09.1999 in der Fassung vom 01.01.2007 geregelt. Hiernach werden für den Bereich der Führungskräfte E 4 drei Entgeltbänder mit je drei Stufen gebildet. Dabei entsprechen in Baden-Württemberg die Entgeltgruppen = 15 ERA-Tarifvertrag dem Band 1, Entgeltgruppe 16 dem Band 2 und Entgeltgruppe 17 dem Band 3. Das Ziel-Jahreseinkommen setzt sich aus einer fixen und einer variablen Vergütung zusammen. Zur Dienstwagennutzung enthält die Gesamtvertriebsvereinbarung folgende Regelung:
3.2 Dienstwagen
Den Führungskräften E 4 wird zur dienstlichen und privaten Nutzung ein Dienstwagen zu den jeweils von der Firma festgelegten Konditionen zur Verfügung gestellt. Veränderungen der Konditionen werden mit dem Gesamtbetriebsrat beraten.
Die Nutzungsbedingungen sind in einer Regelung „Bedingungen für die Überlassung und Benutzung persönlicher Dienstwagen für Mitarbeiter der Ebene 4 in der D. AG” in der Fassung vom 01.03.2008 geregelt. Für die Überlassung des Dienstwagens zur privaten Nutzung ist hiernach eine monatliche Grundgebühr von derzeit 0,1 % zu bezahlen und ein geldwerte Vorteil von derzeit 0,9 % zu versteuern. Den Nutzungsbedingungen ist eine Anlage „Sonderfallregelungen” beigefügt. Diese Sonderregelungen betreffen u.a. Mitarbeiter ohne E 4-Struktur-Stelle. Diese haben für die Überlassung des Dienstwagens zur privaten Nutzung eine monatliche Grundgebühr von derzeit 0,7 % zu bezahlen und einen geldwerten Vorteil von derzeit 0,3 % zu versteuern.
Im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung entrichtet die Beklagte einen bestimmten Beitrag für die Altersversorgung. Die Höhe dieses Beitrags ist von der Einstufung nach den ERA-Entgeltgruppen abhängig. In den Entgeltgruppen 15, 16 und 17 ERA-Tarifvertrag beläuft sich der Beitrag auf EUR 2.050,00, EUR 2.425,00 und EUR 2.825,00. In den diesen Entgeltgruppen zugeordneten drei Entgeltbändern der Führungs...