Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine außerordentliche Kündigung wegen unerlaubten Genusses einer Tasse Kaffee (Entwendung geringfügiger Gegenstände). Ordentliche Kündigung rechtens wegen demonstrativer Missachtung einer betrieblichen Regelung über die Entgeltlichkeit eines Frühstücks für eine Buffetkraft
Leitsatz (redaktionell)
1. Der verbotswidrige Konsum einer Tasse Kaffee am Frühstücksbuffet des Arbeitgebers stellt keinen an sich geeigneten wichtigen Kündigungsgrund dar.
2. Die demonstrative Missachtung einer betrieblichen Regelung über die Entgeltlichkeit eines Frühstücks für eine Buffetkraft kann eine ordentliche Kündigung sozial rechtfertigen.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Mannheim (Urteil vom 30.06.2004; Aktenzeichen 9 Ca 142/04) |
Tenor
1. DasUrteil des Arbeitsgerichtes Mannheim vom30.06.2004 – Az.: 9 Ca 142/04 – wird teilweise abgeändert und im Kostenpunkt aufgehoben.
2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 18.03.2004 nicht aufgelöst wurde.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Im Umfang der Klagabweisung wird die Berufung zurückgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreites – beide Rechtszüge – trägt die Klägerin 2/3 und die Beklagte 1/3.
5. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Mit ihrer Feststellungsklage vom 31.03.2004 wehrt sich die Klägerin gegen einer außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 18.03.2004.
Die Klägerin ist am 30.10.1964 geboren, geschieden und Mutter zweier minderjähriger Kinder.
Seit Anfang Februar 2002 stand sie mit der Beklagten, die eine Hotelkette betreibt, in einem Arbeitsverhältnis als „Frühstücksdame” zu einem monatlichen Entgelt von EUR 1.550,58. Sie war arbeitstäglich in der Zeit von 05.30 Uhr bis 13.00 Uhr verantwortlich für den Frühstücksservice des Sch. Hotels der Beklagten.
Bis Ende Mai 2003 nutzte die Klägerin das hoteleigene Essen; den entsprechenden „geldwerten Vorteil” in Höhe von monatlich EUR 24,48 zog die Beklagte vom Gehalt der Klägerin ab.
Am 02.06.2003 gab die Klägerin eine schriftliche
”Verzichtserklärung Verpflegung” |
mit nachstehendem Wortlaut ab:
„Üblicherweise erhalte ich von meinem Arbeitgeber eine kleine Mahlzeit (z. B. Frühstück) und eine Hauptmahlzeit pro Arbeitstag, welche von mir als geldwerter Vorteil versteuert werden. Ich … möchte jedoch keine Verpflegung. Diese Erklärung ist gültig ab 01.06.2003. Änderungen teile ich umgehend der Buchhaltung/Personalbüro mit.”
Anlässlich dieser Erklärung wies die Beklagte die Klägerin mündlich darauf hin, dass sie künftig keine Speisen und Getränke des Hotels mehr verzehren dürfe. Am 05.03.2004 wurde die Klägerin im Rahmen eines sogenannten Frühstückservice-Meetings in gleicher Weise belehrt.
Am 08.03.2004 wurde die Direktorin des Sch. Hotels davon in Kenntnis gesetzt, dass eine Arbeitskollegin die Klägerin beim Genuss von hoteleigenem Kaffee beobachtet habe. Die Beklagte teilte daraufhin mit Anhörungsschreiben vom 10.03.2004 dem Betriebsrat ihre Absicht mit, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 30.04.2004 zu kündigen. Als Grund gab sie an:
„Frau S. (Klägerin) hat die „Verzichtserklärung Verpflegung” ab dem 01. Juni 2003 auf eigenen Wunsch dahingehend geändert, dass sie keine Mahlzeiten und Getränke des Hotels zu sich nimmt. Frau S. (Klägerin) wurde bei der Unterzeichnung der Änderung der Verzichtserklärung eindringlich von mir belehrt, dass sie deshalb ab dem 01. Juni 2003 kein Essen und keine Getränke vom Hotel nutzen darf und sich ihre Mahlzeiten von zu Hause mitbringen muss.
Bei dem Frühstücksservice-Meeting am 05. März 2004 hat Frau L. R. mitgeteilt, dass Frau S. (die Klägerin) gegen diese Anweisung bereits mehrfach verstoßen hat, indem sie sich während ihrer Arbeitszeit hoteleigenen Kaffee in ihre Thermoskanne abgefüllt hat.
Am 07. März 2004 wurde Frau S. (Klägerin) von Frau Ch. Sch. dabei beobachtet, wie sie sich erneut eine Tasse des hoteleigenen Kaffees abgefüllt hat.
Dieser Verstoß stellt eine massive Verletzung des Eigentums (der …) dar, der eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit Frau S. (der Kläger) auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist für uns unzumutbar macht …”
Der Betriebsrat äußerte mit Schreiben vom 12.03.2004 Bedenken gegen die beabsichtigte außerordentliche Kündigung und widersprach der beabsichtigten fristgerechten Kündigung mit der Begründung, die Klägerin bestreite glaubhaft den Vorwurf. Im übrigen sei sie bislang nicht schriftlich abgemahnt worden. Zumindest sei es möglich, die Klägerin am bisherigen oder auch an einem anderen Arbeitsplatz im Unternehmen weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hält die ausgesprochene Kündigung aus den im Anhörungsschreiben angeführten Gründen für rechtswirksam.
Die Klägerin bestreitet den gegen sei erhobenen Vorwurf. Im übrigen behauptet sie, die Zeugin Ch. Sch. habe ihr – der Klägerin – mitgeteilt, sie habe weder etwas derartiges gesehen, noch gegenüber der Hoteldirektorin und der...