Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Änderungskündigung

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Änderungskündigung mit dem Ziel, das Entgelt bei geänderter, aber objektiv gleichwertiger Tätigkeit herabzusetzen, ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn auch für die vom Arbeitgeber frei bestimmte Reduzierung des Entgelts eine soziale Rechtfertigung besteht.

 

Normenkette

KSchG § 2

 

Verfahrensgang

ArbG Mannheim (Urteil vom 10.10.2003; Aktenzeichen 10 Ca 316/03)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 23.06.2005; Aktenzeichen 2 AZR 608/04)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil desArbeitsgerichts Mannheim/HD vom10.10.2003 – 10 Ca 316/03 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer von der Beklagten mit Schreiben vom 19.04.2003 ausgesprochenen Änderungskündigung, die zum 30.09.2003 wirksam werden soll.

Die Beklagte ist ein Einzelhandelsunternehmen, welches bundesweit Handel mit Unterhaltungselektronik, sogenannter weißer Ware, Computern sowie Artikeln der Tele- und Bürokommunikation, Foto u. dgl. betreibt und zu diesem Zweck mehr als 90 Verkaufsfilialen errichtet hat.

Die Klägerin, geboren am 23.06.1972, ist seit dem 01.09.1990, beginnend mit der Ausbildung bei der Beklagten – bzw. ihrer Rechtsvorgängerin –, in der Filiale St. L.-R. beschäftigt. Zuletzt war die Klägerin tätig als Kassiererin.

Gemäß einer Vertragsänderung entsprechend dem Schreiben der Beklagten vom 02.01.2001 (vgl. Abl. 55) arbeitete die Klägerin zuletzt in Teilzeit mit 97,88 Monatsstunden. Bei Kündigungsausspruch erhielt die Klägerin EUR 1.149,96 brutto als Monatsentgelt.

Mit Schreiben vom 19.04.2003, welchem ein Entwurf für einen geänderten Arbeitsvertrag (vgl. i. E Vor Abl. 8 ff) beigefügt war, sprach die Beklagte die in Streit stehende, auf betriebliche Gründe gestützte Kündigung zum 30.09.2003 aus. Das der Klägerin unterbreitete Änderungsangebot sieht u. a. eine Vergütung i. H. von monatlich EUR 928,13 brutto vor.

Hintergrund der in Streit stehenden Änderungkündigung ist eine von der Beklagten bundesweit initiierte Umgestaltung ihrer Verkaufsfilialen. Diese sollten vom Facheinzelhandel in reine Abverkaufsstellen umfunktioniert werden. Dem Kunden sollte ein – überdies deutlich reduziertes – Warensortiment zum Kauf ohne fachliche Beratung angeboten werden. Dieses Konzept sah in personeller Hinsicht vor, dass eine Verkaufsfiliale nur noch mit einem Marktleiter und einer (reduzierten) Anzahl von nachgeordneten Kräften besetzt sein sollte. Letztere sollten sämtliche anfallenden Funktionen im Bereich der Kassentätigkeit, der Pflege und des Nachfüllens der Ware, der Entgegennahme von Reklamationen sowie der Lagertätigkeit wahrnehmen. Zum Zwecke der Durchsetzung dieses Konzepts hatte die Beklagte mit dem jeweils zuständigen Betriebsrat, so auch mit dem für die Filiale St. L.R. zuständigen Betriebsrat, einen Interessenausgleich abgeschlossen (vgl. Vereinbarung vom 13.02.2003, Vor Abl. 22 ff).

Die Klägerin hat das ihr gemachte Änderungsangebot nicht angenommen. Sie hat bereits beim Arbeitsgericht die Sozialwidrigkeit der Kündigung vom 19.04.2003 geltend gemacht. U. a. hat die Klägerin die Auffassung vertreten, dass es entgegen der Behauptung der Beklagten nicht zu einer Umsetzung des neuen unternehmerischen Konzeptes gekommen sei. Statt dessen habe der zuständige Marktleiter auch nach der Kündigung angeordnet, dass alles seinen gewohnten Gang zu nehmen habe. Mit der gegenüber der Klägerin ausgesprochenen Kündigung sei das Ziel verfolgt worden, Gehalt einzusparen, ohne dass dies wirtschaftlich erforderlich gewesen sei.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 19.04.2003 nicht aufgelöst sei. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, das der Klägerin im Zusammenhang mit der Änderungskündigung gemachte Änderungsangebot sei nicht bestimmt genug. Auch sei die Kündigung nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse i. S. des § 1 Abs. 2 KSchG bedingt. Zur näheren Sachdarstellung wird auf das arbeitsgerichtliche Urteil vom 10.10.2003 Bezug genommen.

Die Beklagte macht mit der Berufung unverändert geltend, dass sie eine rechtswirksame Änderungskündigung ausgesprochen habe. Entgegen der Meinung des Arbeitsgerichtes habe die Beklagte insbesondere zum Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes der Klägerin ausreichend vorgetragen. Bei Ablauf der Kündigungsfrist am 30.09.2003 sei die beschlossene Umgestaltung der Fachfiliale längst vollzogen gewesen. Bereits seit Mai 2003 habe es in der Filiale St. L.-R. nur noch Verkäufer mit Kassen- und Lagertätigkeit gegeben. Hinsichtlich des der Klägerin im Zusammenhang mit der Kündigung gemachten Änderungsangebotes handle es sich um die Weiterbeschäftigung auf einem neu geschaffenen Arbeitsplatz. Ein derartiger Arbeitsplatz habe bisher nicht existiert. Die Beklagte sei frei, selbst zu entscheiden, wie sie die materiellen Arbeitsbedingung...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?