Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Leiter des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie vor den deutschen Arbeitsgerichten
Leitsatz (amtlich)
1. Aufgrund des Übereinkommens vom 10. Mai 1973 über die Errichtung eines Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie und der Sitzstaatvereinbarung zwischen diesem und der Bundesrepublik Deutschland vom 10. Dezember 1974 iVm dem Gesetz zu der Sitzstaatvereinbarung vom 3. Juli 1975 genießt das Laboratorium grundsätzlich Immunität von der Gerichtsbarkeit und Vollstreckung iSv von § 20 Abs. 2 GVG.
2. Das gilt nach Art 2, 6, 27 der Sitzstaatvereinbarung im Besonderen für Streitigkeiten zwischen dem Laboratorium und seinen Bediensteten in der Bundesrepublik Deutschland, für die eine "zufriedenstellende Regelung" getroffen ist. Die Personalordnung iVm den Personalstatuten des Laboratoriums enthält eine "zufriedenstellende Regelung". Danach ist gegen die endgültige Entscheidung des Generaldirektors die Anrufung des Verwaltungsgerichts der internationalen Arbeitsorganisation (ILOAT) möglich.
3. Das Verfahren genügt den Anforderungen der Sitzstaatvereinbarung und den rechtsstaatlichen Mindestanforderungen des Grundgesetzes mit der Folge, dass die vor den deutschen Arbeitsgerichten erhobene Zeugnisklage unzulässig ist.
Normenkette
GVG § 20 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Mannheim (Entscheidung vom 13.12.2016; Aktenzeichen 6 Ca 275/16) |
Tenor
- Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Mannheim - Kammern Heidelberg - vom 13.12.2016 - 6 Ca 275/16 - wird zurückgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Erteilung eines Zeugnisses.
Der Kläger war vom 1. Juli 2007 bis zum 30. Juni 2014 für das beklagte Laboratorium als IT-Support Engineer in der Abteilung IT-Services tätig. Als "Staff Member" (festangestellter Mitarbeiter) bezog der Kläger zuletzt ein Entgelt in Höhe von € 5.500,00 netto.
Die Beklagte ist eine zwischenstaatliche Forschungseinrichtung mit derzeit 22 Mitgliedsstaaten, darunter die Bundesrepublik Deutschland. Sie wurde aufgrund der Verordnung über die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an das Europäische Laboratorium für Molekularbiologie vom 2. August 1973 (Bundesgesetzblatt Teil 2 1973, 1005 = Bl. 11 der Akte des Arbeitsgerichts) in Verbindung mit dem Übereinkommen zur Errichtung eines Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie (Bundesgesetzblatt Teil 2 1973, 1006ff. = Bl. 12ff. der Akte des Arbeitsgerichts, nachfolgend: Gründungsabkommen) gegründet, das auszugsweise lautet:
Art. I
Errichtung des Laboratoriums
(1) ...
(2) Sitz des Laboratoriums ist H., Bundesrepublik Deutschland.
Art. V
Der Rat
Zusammensetzung
(1) Dem Rat gehören alle Mitgliedstaates des Laboratoriums an. ...
Befugnisse
(3) Der Rat:
...
i) nimmt mit 2/3 Mehrheit aller Mitgliedstaaten eine Personalordnung an;
...
Art VII
Generaldirektor und Personal
...
(5) ... Beginn und Beendigung aller Arbeitsverhältnisse erfolgen nach Maßgabe der Personalordnung.
...
Art. XI
Rechtsstellung
Das Laboratorium besitzt Rechtspersönlichkeit. Insbesondere hat es die Fähigkeit, Verträge zu schließen ...; ferner ist es prozessfähig. Der Staat, in dem das Laboratorium liegt, schließt mit ihm eine Sitzstaatvereinbarung über die Rechtsstellung des Laboratoriums und solche Vorrechte und Immunitäten des Laboratoriums und seines Personals, die zur Erreichung der Ziele des Laboratoriums und zur Wahrnehmung seiner Aufgaben erforderlich sind; diese Vereinbarung bedarf der Zustimmung des Rates mit 2/3 Mehrheit aller Mitgliedstaaten.
Zwischen der Beklagten und der Bundesrepublik Deutschland wurde am 10. Dezember 1974 iVm. mit dem Gesetz vom 3. Juli 1975 eine Sitzstaatvereinbarung geschlossen (Bundesgesetzblatt Teil 2 1975, 933, 934ff. = Bl. 26ff. der Akte des Arbeitsgerichts, nachfolgend: Sitzstaatvereinbarung), die auszugsweise lautet:
Art. 2
Rechtstellung
...
(3) a) Soweit in dem Übereinkommen oder in dieser Vereinbarung nichts anderes bestimmt ist unterliegt die Tätigkeit des Laboratoriums in der Bundesrepublik Deutschland deutschem Recht.
b) Sind die Arbeitsbedingungen eines Bedienstetes des Laboratoriums nicht in dessen Personalordnung geregelt, so unterliegen sie den deutschen Gesetzen und sonstigen Vorschriften. Streitigkeiten zwischen dem Laboratorium und seinen Bediensteten in der Bundesrepublik Deutschland, die nicht entsprechend den in Art. 27 genannten Verfahren beigelegt werden, unterliegen der Gerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland.
Art. 6
Immunität von Gerichtsbarkeit und Vollstreckung
(1) Das Laboratorium genießt Immunität von der Gerichtsbarkeit und Vollstreckung mit Ausnahme der folgenden Fälle:
...
e) Soweit dies in Art. 2 Abs. 3 Buchst. b) vorgesehen ist
Art. 27
Streitigkeiten zwischen dem Laboratorium und seinem Personal
Das Laboratorium trifft sobald wie möglich nach Inkrafttreten des Übereinkommens geeignete Vorsorge zur zufriedenstellenden Regelung von Streitigkei...