Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung einer arbeitsvertraglichen Versetzungsklausel zur Zumutbarkeit einer anderen Tätigkeit. Unwirksame Versetzung eines Diplom-Ingenieurs vom Bereich "Helpdesk" in den Bereich "Back Office" innerhalb der Abteilung "Global Service Division"
Leitsatz (amtlich)
Die arbeitsvertragliche Klausel ("er verpflichtet sich, auch andere zumutbare Arbeiten auszuführen ..., die seinen Vorkenntnissen und Fähigkeiten entsprechen") lässt offen, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auch geringwertigere Tätigkeiten zuweisen kann. Bleiben aber Zweifel über den Inhalt der Klausel, gehen diese zu Lasten des Arbeitgebers als Verwender; zu wählen ist die für den Arbeitnehmer günstigste Auslegungsvariante. Dieses ist diejenige, die zur materiellen Unangemessenheit und damit zur Unwirksamkeit der Klausel führt.
Normenkette
BGB § 307 Abs. 1 S. 1, § 611 Abs. 1; GewO § 106 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Heilbronn (Entscheidung vom 22.07.2015; Aktenzeichen 4 Ca 128/15) |
Tenor
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 22.07.2015 -4 Ca 128/15 - wird zurückgewiesen.
- Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Versetzung des Klägers vom Bereich "Helpdesk" in den Bereich "Back Office" innerhalb der Abteilung "Global Service Division" vom 17. Juli 2014.
Der am XXX 1959 geborene, verheiratete und 2 Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtete Kläger, von Beruf Diplom-Ingenieur (FH), ist bei der Beklagten seit dem 3. April 2006 beschäftigt mit einem durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst von zuletzt EUR 2.958,00. Bei der beklagten Partei amtiert seit 4. Februar 2015 ein Betriebsrat.
Im Arbeitsvertrag der Parteien vom 18. November 2013/22. November 2013 mit Wirkung ab dem 1. Januar 2014 wird die Tätigkeit unter § 3 wie folgt geregelt:
"§ 3 Tätigkeit
Der Arbeitnehmer wird als Mitarbeiter Helpdesk mit nachfolgenden Hauptaufgaben tätig:
- Kundenbetreuung telefonisch und schriftlich nach direkter Kontaktannahme
- Identifikation von Kontaktgründen und darauf aufbauende Beratung
- Systemeingabe der Kontaktgründe und Dokumentation der Inhalte
- Anleitung der Kunden zur Fehleridentifikation und selbstständigen Behebung
- Systemeingaben für Serviceeinsätze, Tauschvorgänge und Reparaturprozesse
- Aktive Mitwirkung an kontinuierlichen Produkt- und Prozessverbesserungen
Er verpflichtet sich, auch andere zumutbare Arbeiten auszuführen - auch an einem anderen Ort -, die seinen Vorkenntnissen und Fähigkeiten entspricht."
Mit Schreiben vom 17. Juli 2014 wurde der Kläger in den Bereich Back Office mit Wirkung ab dem 22. Juli 2014 versetzt und mit folgenden Aufgaben betraut:
- Prüfen von Rechnungen (Kreditor)
- Buchen von Rechnungen (Kreditor)
- Erstellen 0 €-Fakturen (Debitor)
- Rückmelden der Protokolle in SAP
- Prüfen der eingehenden Protokolle vor Berechnung.
Mit seiner beim Arbeitsgericht am 24. März 2015 eingereichten Klage macht der Kläger geltend, dass die Versetzungsanordnung vom 17. Juli 2014 unwirksam sei.
Die Versetzung habe zu einer wesentlichen Herabstufung geführt, wenn man den bisherigen Aufgabenbereich im Bereich Helpdesk mit den Aufgaben im Bereich Back Office vergleiche.
Die dem Kläger nunmehr zugewiesene Tätigkeit entspräche weder seiner Qualifikation noch dem Vertragsinhalt und sei deshalb nicht zumutbar.
Die Tätigkeit vor der Versetzung habe sich durch technische Inhalte sowohl bei der Beratung der Kunden als auch bei der Reklamationsannahme ausgezeichnet. Hier habe der Kläger seine Kenntnisse als Ingenieur einbringen können.
Er habe auf Produktverbesserungen im Hinblick auf die zugetragenen Fehlermeldungen der Kunden hinwirken können.
Die nunmehr zugewiesenen Tätigkeiten seien rein kaufmännisch. Die Tätigkeiten im Back Office seien prinzipiell niedriger vergütet als im Helpdesk, auch wenn der Kläger weiterhin die gleiche Vergütung erhalte.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt:
- Es wird festgestellt, dass die Versetzung des Klägers in die Abteilung Global Service Division, Bereich Back Office vom 17.07.2014 unwirksam ist.
- Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger weiter zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Mitarbeiter im Bereich "Helpdesk" zu beschäftigen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte begründet ihre Versetzungsanordnung damit, dass sie aufgrund der Fotovoltaikkrise den Bereich Helpdesk habe umstrukturieren müssen.
Im Bereich Helpdesk seien insgesamt 7 Mitarbeiter abgebaut worden, wobei der Unterbereich "Erfassung" von 6 auf 5 Mitarbeiter reduziert worden sei. Nachdem der Kläger nach der Sozialauswahl im Bereich Helpdesk nicht an erster Stelle gestanden habe, habe man sich für offene Gespräche mit dem Kläger entschieden und ihm die Aufhebung des Arbeitsvertrages angeboten.
Da die Gespräche nicht zu einer Einigung geführt hätten, habe man von dem Direktionsrecht Gebrauch gemacht. Eine Billigkeitskontrolle sei durchgeführt worden und das Direktionsrecht auf Bas...