Entscheidungsstichwort (Thema)
Abfindungsanspruch aus einem im Rahmen eines Frühpensionierungsprogrammes abgeschlossenen Aufhebungsvertrag bei Tod des Arbeitnehmers vor dem vereinbarten Ende des Arbeitsverhaltnisses
Leitsatz (amtlich)
Bei im Rahmen von Frühpensionierungsprogrammen geschlossenen Aufhebungsverträgen gibt es ebenso wie bei Abfindungsvergleichen keinen Erfahrungssatz, daß ein vererblicher Abfindungsanspruch nicht entstehen solle, wenn der Arbeitnehmer in der Zeit zwischen dem Abschluß des Aufhebungsvertrags und dem vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses stirbt (entgegen LAG Köln Urteil vom 11.12.90 – 4 Sa 829/90 – in LAG E § 611 BGB Aufhebungsvertrag Nr. 2). Vielmehr bedarf es der die Umstände des Einzelfalles berücksichtigenden Auslegung des Aufhebungsvertrags, wober zu berücksichtigen ist, daß der Arbeitgeber die Abfindung nicht dafür verspricht, daß der Arbeitnehmer noch bis zu einem bestimmten Termin im Betrieb verbleibt, sondern vielmehr dafür, daß der Arbeitnehmer sein Einverständnis zum Ausscheiden erklärt.
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Urteil vom 14.06.1995; Aktenzeichen 3 Ca 598/94) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 14.06.95 – 3 Ca 598/94 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt als Alleinerbin ihres verstorbenen Ehemannes, eines früheren Arbeitnehmers der Beklagten, die Zahlung einer Abfindung aus einem zwischen diesem und der Beklagten geschlossenen Aufhebungsvertrag.
Der Erblasser, welcher seit 01.01.79 in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten stand, schloß mit dieser am 05./20.10.93 im Rahmen eines Frühpensionierungsprogrammes die in FK. Bl. 4 u. 5 d.A. bildende Aufhebungsvereinbarung, wonach das Arbeitsverhältnis „zum 30.04.1994 auf Veranlassung der … im gegenseitigen Einvernehmen beendet” wird, der Mitarbeiter „als Ausgleich für den Verlust seines Arbeitsplatzes eine einmalige Abfindung in Höhe von DM 430.000,– (i.W. vierhundertdreißigtausend DM) brutto” erhält, welche „Ende April 1994 ausgezahlt” wird. Bereits am 16.11.93 verstarb der Ehemann der Klägerin. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes im 1. Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 79-83 d.A.) Bezug genommen (§ 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO).
Das Arbeitsgericht ist zu der Auffassung gelangt, daß den auf die Klägerin übergegangenen Ansprüchen des Erblassers keine begründeten Einwendungen entgegenstehen, und hat die Beklagte mit am 14.06.95 verkündeten Urteil zur Zahlung von DM 430.000,– brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus errechnenden Nettobetrag seit 01.05.1994 verurteilt. Wegen der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die S. 6-13 des angefochtenen Urteils (Bl. 83-90 d.A.) verwiesen.
Gegen dieses der Beklagten am 04.09.95 zugestellte Urteil richtet sich die am 13.09.95 eingelegte, am 13.11.95 und damit innerhalb der durch Beschluß vom 10.10.95 verlängerten Berufungsbegründungsfrist ausgeführte Berufung der Beklagten. Im Hinblick darauf, daß im Berufungsschriftsatz die S. 5 fehlte, hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 22.12.95 – erkennbar vorsorglich – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrt.
Zur Begründung der Berufung trägt die Beklagte insbesondere vor, abweichend von der Auffassung des Arbeitsgerichts sei mit dem LAG Köln (Urteil vom 11.12.90 – 4 Sa 829/90 –)in den Fällen, in denen ein Arbeitnehmer im Rahmen eines Frühpensionierungsprogrammes auf eigenen Wunsch gegen Zahlung einer Abfindung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheide, regelmäßig davon auszugehen, daß ein vererblicher Abfindungsanspruch dann nicht entstehen solle, wenn der Arbeitnehmer in der Zeit zwischen Abschluß des Aufhebungsvertrags und dem vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses sterbe. Anders als in dem vom BAG mit Urteil vom 25.06.87 – 2 AZR 504/86 – entschiedenen Fall habe vorliegend auch kein Streit über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestanden. Vielmehr habe durch die Abfindungszahlung ausschließlich der Lebensunterhalt nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses sichergestellt werden sollen. Zwar stelle das Arbeitsgericht zutreffend fest, daß auch die Beklagte ein Interesse an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gehabt habe. Dies trage jedoch nicht den vom Arbeitsgericht gezogenen Schluß, wonach die Abfindung einer Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes gleichkomme. Allerdings sei die wirtschaftliche Situation der Beklagten so gewesen, daß sie aus Kostengründen Arbeitsplätze habe abbauen müssen. Auch hätte es, wenn derartige Programme wie das vorliegende nicht zum Erfolg geführt hätten, letztendlich auch zu betriebsbedingten Kündigungen kommen können. Der Ehemann der Klägerin wäre hiervon jedoch bereits aufgrund seines Schutzes gem. § 4 MTV (gemeint ist ersichtlich § 4.4 des Manteltarifvertrags für Arbeiter und Angestellte in der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden vom 05.05.1990) nicht betroffen ...