Entscheidungsstichwort (Thema)

Unbegründete Entschädigungsklage eines abgelehnten Stellenbewerbers wegen Altersbenachteiligung bei fehlenden Darlegungen zur Eignung für die Mitarbeit in einer Rechtsanwaltskanzlei beim Bundesgerichtshof

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein abgelehnter Bewerber befindet sich mit dem nicht abgelehnten Bewerber nur dann in einer vergleichbaren Situation im Sinne des § 3 Abs. 1 AGG, wenn er für die ausgeschriebene Stelle objektiv geeignet ist.

2. Die objektive Eignung ist nicht immer schon dann gegeben, wenn der Bewerber die einschlägige Berufsausbildung abgeschlossen hat. Es kommt vielmehr auf die wesentlichen, nicht überzogenen Anforderungen der ausgeschriebenen Stelle an.

3. Der abgelehnte Bewerber, der einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot geltend macht, muss seine objektive Eignung für die ausgeschriebene Stelle darlegen. Hierzu sind zumindest Indiztatsachen vorzutragen.

 

Normenkette

AGG §§ 1, 3 Abs. 1-2, § 7 Abs. 1, § 15 Abs. 2, § 22

 

Verfahrensgang

ArbG Karlsruhe (Entscheidung vom 05.02.2014; Aktenzeichen 9 Ca 353/13)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 11.08.2016; Aktenzeichen 8 AZR 4/15)

 

Tenor

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 05.02.2014 (9 Ca 353/13) wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten, ihm wegen einer altersbedingen Benachteiligung im Bewerbungsverfahren eine Entschädigung gem. § 15 Abs. 2 AGG zu zahlen.

Der Kläger wurde am 13.05.1953 geboren. Er legte 1979 die erste juristische Staatsprüfung in Baden-Württemberg mit der Note "befriedigend" ab. 1982 promovierte er an der Universität F. mit einer Arbeit zum Thema

"Wirtschaftliche Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsfreiheit. Zur Kritik einer Überlastung des Art. 9 Abs. 1 GG".

Die Universität bewertete die Leistungen des Klägers mit "cum laude". 1983 absolvierte der Kläger die zweite juristische Staatsprüfung mit der Note "befriedigend". Von April bis Dezember 1983 arbeitete er als Rechtsanwalt in F.. Vom 01.01.1984 bis zum 29.02.1988 war der Kläger Assistent der Geschäftsführung und Justiziar der S. Zeitung. (Zu den Zeugnissen der Rechtsanwälte Dres. F. & Kollegen, F. und der S. Zeitung wird auf die Anlagen B 2 zum Schriftsatz der Beklagten vom 28.11.2013, Prozessakte des Arbeitsgerichts (im Folgenden: Arb), Bl. 72 ff., verwiesen.). Seit 1988 arbeitet der Kläger als Einzelanwalt in R.. Er ist seit April 2008 Fachanwalt für Medizinrecht.

Die Beklagte ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Ihre Gesellschafter sind zwei beim Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsanwälte. 2001 war die Beklagte an einem Revisionsverfahren beteiligt, dessen eine Partei in den Vorinstanzen vom Kläger vertreten worden war (BGH III ZR 217/01).

Am 13.06.2013 schrieb die Beklagte die Stelle eines Rechtsanwalts (m/w) aus. Die Stellenanzeige lautete wie folgt:

"Als Rechtsanwaltskanzlei beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe beraten und vertreten wir unseren namhaften Mandanten vor dem Bundesgerichtshof in gleichermaßen rechtlich anspruchsvollen wie wirtschaftlich bedeutenden Verfahren auf allen Gebieten des Zivil- und Wirtschaftsrechts. Zur Verstärkung unseres Teams suchen wir einen

Rechtsanwalt (m/w)

mit erster Berufserfahrung oder auch als Berufsanfänger

Unsere Tätigkeit erfordert hervorragende Rechtskenntnisse, eine wissenschaftlich vertiefte Vorgehensweise und die Fähigkeit, die Position unserer Mandanten schriftlich prägnant und überzeugend zu vertreten.

Wir bieten Ihnen die Möglichkeit, in einem angenehmen und kollegialen Betriebsklima auf höchstem Niveau an der Lösung rechtlicher Grundsatzfragen und der Fortbildung des Rechts mitzuarbeiten. Dazu stehen eine hervorragend ausgestattete Bibliothek sowie moderne IT-Arbeitsmittel zur Verfügung. Eine Fünf-Tage-Woche, die für uns seit jeher gelebte Selbstverständlichkeit ist, lässt persönliche Freiräume. Ihre Vergütung wird den gestellten hohen Anforderungen entsprechen.

Bewerbungen erbeten ..."

Der Kläger bewarb sich am selben Tag per E-Mail um die ausgeschriebene Stelle. Im Anschreiben führte er aus:

"Sehr geehrte Herren Kollegen,

ich bewerbe mich auf Ihre Stellenauszeige. Ich bin seit 1988 hier in R. als Rechtsanwalt tätig, jedoch im Prinzip örtlich ungebunden. Ich habe, wie aus den beigeführten Bewerbungsunterlagen ersichtlich, zwei baden-württembergische Prädikatsexamen und bin darüber hinaus promoviert, was eine wissenschaftlich vertiefte Vorgehensweise belegt. Daraus und aus meiner langjährigen beruflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt folgen die geforderten hervorragenden Rechtskenntnisse und die gewünschte prägnante und überzeugende schriftliche Ausdrucksweise.

Sehr gute Englisch- und MSOffice-Kenntnisse sind selbstverständlich.

..."

Beifügt waren die Anlagen B 2 zum Schriftsatz der Beklagten vom 28.11.2013, Arb, Bl. 66 ff. (Lichtbild, Lebenslauf, Examens- und Promotionsurkunden, Urkunde der Zulassung als Rechtsanwalt, Zeugnisse der Rechtsanwälte Dr. F. & Kollegen sowie der S. Zeitung, Bescheinigu...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?